Die geheimnißvolle Insel
unbekannte Kraft ward er wohl zehn Fuß über die Wasserfläche geschleudert, fiel zwar mitten in das aufgewühlte Wasser nieder, erreichte aber doch, ohne ernsthafte Verletzungen zu zeigen, das Ufer wieder und war wie durch ein Wunder gerettet.
Cyrus Smith und seine Begleiter beobachteten den Vorgang mit sprachlosem Erstaunen. Ganz unerklärbar däuchte es ihnen aber, daß der unterseeische Kampf noch fortzudauern schien. Unzweifelhaft hatte den Dugong ein noch mächtigeres Thier angegriffen, und jener den Hund losgelassen, um sich der eigenen Haut zu wehren.
Dieses Nachspiel währte indeß nur kurze Zeit. Bald färbte sich das Wasser blutig und strandete der Körper des Dugongs, der aus einer sich weithin ausbreitenden rothen Lache emportauchte, auf einer kleinen Sandbank am Südende des Sees.
Top aus dem Wasser geschleudert. (S. 175.)
Die Colonisten eilten nach jener Stelle. Der Dugong war todt. Man schätzte die Länge des ungeheuren Thieres auf fünfzehn bis sechzehn Fuß, sein Gewicht auf drei-bis viertausend Pfund. An seinem Halse klaffte eine Wunde, die von einem schneidenden Instrumente herzurühren schien.
Welches Thier konnte es aber gewesen sein, das den gewaltigen Dugong so entsetzlich verwundet und getödtet hatte? Niemand wußte es, und sehr befangen über den ganzen Vorfall kehrten die Wanderer nach ihren Kaminen zurück.
Siebenzehntes Capitel.
Besuch des Sees – Der Wegweiser. – Cyrus Smith’s Projecte. – Das Dugongfett. – Verwandlung des Thoneisensteins. – Das schwefelsaure Eisen. – Wie Glycerin erzeugt wird. – Die Seife. – Salpeter. – Salpetersäure. – Der neue Wasserfall.
Am darauf folgenden Tage, am 7. Mai, ließen Cyrus Smith und Gedeon Spilett das Frühstück von Nab zurichten und begaben sich nach dem Plateau der Freien Umschau, während Pencroff und Harbert längs des Flußufers in den Wald zogen, um neue Holzvorräthe herbeizuschaffen.
Bald gelangten der Ingenieur und der Reporter nach jener kleinen, an der Südspitze des Sees belegenen Untiefe, auf welcher die Amphibie noch lag. Schon stritten sich ganze Schwärme Vögel um die enorme Fleischmasse, so daß sie mit Steinwürfen vertrieben werden mußten, da Cyrus Smith das Fett des Dugongs für verschiedene Zwecke der Colonie zu verwenden beabsichtigte. Auch das Fleisch dieser Walroßart hat einen weit höheren Nahrungswerth, als das gewöhnliche, und erscheint regelmäßig auf den Tafeln der eingeborenen Fürsten in den Malayenstaaten.
Jetzt beschäftigten Cyrus Smith aber ganz andere Gedanken. Der Vorfall des vergangenen Tages kam ihm nicht aus dem Sinn. Er hätte den Schleier jenes unterseeischen Kampfes gar zu gern gelüstet und gewußt, welcher Verwandte der Mastodons oder anderer Seeungeheuer dem Dugong eine so auffällige Wunde beigebracht hatte.
An dem Ufer des Sees angelangt, forschte er mit größter Aufmerksamkeit umher, sah aber nichts außer dem stillen Gewässer, das in den ersten Sonnenstrahlen blitzte. An der Stelle, wo der todte Körper lag, war das Wasser offenbar flach; von ihr aus aber senkte sich der Grund allmälig nach der Mitte zu und ließ vermuthen, daß der See von ganz beträchtlicher Tiefe sei; er stellte eben ein Becken dar, das der Rothe Fluß nach und nach angefüllt hatte.
»Nun, Cyrus, begann der Reporter, das Wasser hier scheint mir nichts Verdächtiges zu verrathen.
– Nein, lieber Spilett, und ich weiß den Zufall von gestern wirklich auf keine Weise zu erklären.
– Ich muß gestehen, fuhr Gedeon Spilett fort, daß die Verwundung der Amphibie mindestens sehr sonderbar aussieht, und ebenso wenig verstehe ich, wie Top mit solcher Gewalt hoch über das Wasser empor geschleudert werden konnte. Man möchte glauben, daß ihn ein mächtiger Arm gepackt und derselbe Arm mittels eines Dolches den Dugong tödtlich getroffen haben müsse.
– Ja wohl, antwortete der Ingenieur, der nachdenklicher geworden war. Hier steckt etwas, das ich nicht zu begreifen vermag. Begreifen Sie aber, lieber Spilett, etwa besser, wie ich gerettet worden bin, auf welche Weise ich den Fluthen entrissen und nach den Dünen geführt wurde? Nein, gewiß ebenso wenig. Mir scheint hier unzweifelhaft ein Geheimniß vorzuliegen, welches wir eines Tages schon noch ergründen werden. Wir wollen also Acht haben, unseren Gefährten gegenüber aber nicht zu viel davon merken lassen. Behalten wir etwaige Andeutungen für uns und bleiben im Uebrigen ruhig bei der Arbeit.«
Bekanntlich hatte der Ingenieur
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