Die geheimnißvolle Insel
einer anderen Drogue, des salpetersauren Kalis, das man im gewöhnlichen Leben unter dem Namen Salpeter kennt.
Cyrus Smith hätte sich dieselbe dadurch beschaffen können, daß er kohlensaures Kali, welches aus vielen Pflanzenaschen leicht zu erhalten ist, durch Salpetersäure zersetzte. Aber diese Säure fehlte ihm, und doch brauchte er sie gerade zu seinem letzten Zwecke. Aus dieser Verlegenheit war freilich schwer herauszukommen. Zum Glück trat nun die Natur hilfreich in diese Lücke ein und lieferte ihm den Salpeter fix und fertig, so daß er nur einzusammeln war. Harbert entdeckte nämlich im Norden der Insel, am Fuße des Franklin-ein Lager dieses Salzes.
Die verschiedenen Vorbereitungsarbeiten währten gegen acht Tage kamen aber zu derselben Zeit zu Ende, als die Umsetzung des Schwefeleisens in schwefelsaures Eisenoxyd vollendet war. Inzwischen gingen die Colonisten daran, sich aus plastischem Thone feuerbeständige Gefäße herzustellen und aus Mauersteinen einen Ofen von besonderer Construction zu erbauen, der zur Destillation des zu gewinnenden Eisensalzes dienen sollte. Am 18. Mai war Alles vollendet. Gedeon Spilett, Harbert, Nab und Pencroff wurden unter Leitung des Ingenieurs zu den geschicktesten Arbeitern der Welt. Bekanntlich ist ja die Noth überall die beste Lehrmeisterin.
Als nun der Thoneisensteinhausen durch das Feuer vollkommen umgewandelt war, wurde sein Inhalt, aus schwefelsaurem Eisenoxyd, schwefelsaurer Thonerde, Kieselerde und Resten von Kohlen und Aschen bestehend, in ein großes Bassin mit Wasser geschüttet. Dieses Gemisch rührte man kräftig um, ließ es sich dann setzen und erhielt zuletzt eine klare Flüssigkeit, welche das Eisen und die Thonerde in Lösung hielt, während die anderen unlöslichen Mineralien sich zu Boden geschlagen hatten. Als die Lösung dann theilweise verdampft wurde, schossen zuerst die Eisenkrystalle an; in der Mutterlauge dagegen blieb die schwefelsaure Thonerde zurück und wurde mit jener als nutzlos weggeworfen.
Cyrus Smith hatte nun eine genügende Menge Eisensalz, sogenanntes Eisenvitriol, zur Verfügung, aus dem die Schwefelsäure gezogen werden sollte.
Gewöhnlich erfordert die Darstellung dieser Säure eine sehr kostspielige Einrichtung. Man braucht dazu große Räume, ganz eigene Geräthe, Apparate von Platin, Bleikammern, welche die Säure nicht angreift u.s.w. Das Alles fehlte Cyrus Smith. Dafür war ihm bekannt, daß man in Deutschland Schwefelsäure auch durch weit einfachere Mittel gewinnt, eine Säure, welche noch den Vortheil hat, concentrirter zu sein, und unter dem Namen »Nordhäuser Schwefelsäure oder Vitriolöl« im Handel ist.
Der hierbei nöthige Proceß beschränkt sich auf eine einzige Operation. Die Krystalle von schwefelsaurem Eisen müssen in geschlossenen Gefäßen erhitzt werden, wobei die rauchende Schwefelsäure überdestillirt, die man durch Abkühlung der Dämpfe gewinnt.
Hierzu sollten eben die feuerbeständigen Gefäße angewendet werden. Alles gelang nach Wunsch, und am 20. Mai, zwölf Tage nach Beginn dieser Arbeiten, besaß der Ingenieur jene Chemikalien, welche noch zu vielerlei Zwecken dienen sollten.
Welches war aber ihre nächste Bestimmung? Mit ihrer Hilfe sollte die nöthige Salpetersäure erzeugt werden, was keine Schwierigkeiten bot, da der Salpeter, von jener Säure zersetzt, seine eigene leicht abgiebt.
»Hier ist Nitro-Glycerin!« (S. 186.)
Wozu sollte jedoch die Salpetersäure am letzten Ende dienen? Darüber hatte der Ingenieur sich seinen Gefährten gegenüber noch immer nicht ausgesprochen.
Die Herstellung des Sprengloches. (S. 187.)
Dennoch rückte das endliche Ziel näher und sollte eine letzte Operation die Substanz liefern, welche soviel Vorarbeiten nöthig gemacht hatte.
Die Salpetersäure wurde nämlich mit dem durch Verdampfung etwas concentrirten Glycerin in Verbindung gebracht, und so erhielt der Ingenieur, selbst ohne Anwendung einer Kältemischung, mehrere Liter einer gelblichen, öligen Flüssigkeit.
Die letztere Arbeit hatte Cyrus Smith fern von den Kaminen und allein vorgenommen, weil eine Explosion bei ihr leicht vorkommen kann, und als er eine Kleinigkeit jener Flüssigkeit seinen Gefährten zeigte, sagte er einfach:
»Hier ist Nitro-Glycerin!«
Es war in der That jenes fürchterliche Sprengmittel, das wohl die zehnfache Kraft des Pulvers besitzt und schon so viel Unglücksfälle veranlaßte. Seitdem man indessen Mittel gefunden hat, dasselbe in Dynamit
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