Die geheimnisvolle Diebesbande
„Bitte, kommt einen Augenblick herein. Bei Frau Hofer, sagt ihr? Der Sängerin?“
„Ja, sie wohnt in dem Haus neben uns, wir sind sehr befreundet. Wir waren an dem Abend zusammen aus“, berichtete Tina. „Das heißt, meine Mutter, Frau Neumann und wir besuchten Lisa Hofers Konzert. Entschuldigung, wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Das ist mein Bruder Tobbi, ich bin Tina Greiling und das ist unsere Freundin Tini Paulsen.“
Frau Erler gab jedem die Hand, dann bat sie sie, für einen Augenblick ins Haus zu kommen. Tina, Tini und Tobbi wurden in den großen Wohnraum geführt und versanken in tiefen, weichgepolsterten Sesseln, die im Halbrund um einen riesigen Kamin standen.
„Eine unangenehme Geschichte“, seufzte Frau Erler und zündete sich eine Zigarette an. „Man fühlt sich auf einmal so unsicher. Wir überlegen, ob wir uns nicht einen Hund anschaffen sollten, aber ich mag keine Hunde.“
„Nun, ein zweites Mal kommen die Diebe sicher nicht“, beruhigte Tini sie. „Bei Ihnen sind sie durchs Kellerfenster eingestiegen?“
„Ja, und es war genau, wie du sagtest: die Scherben waren zusammengekehrt und lagen in der Küche im Abfalleimer.“
„Nur die Scherben?“
„Nein. Die Polizei fand Reste einer Filterzigarette mit Lippenstiftspuren daran. Außerdem eine zusammengeknüllte Papierserviette, die jemand als Taschentuch benutzt hatte. Sie stammte aus einer Bar.“
„Aus einer Bar?“
„Nun ja, oder... sollte man es lieber als Jugendlokal bezeichnen... eine Bar mit Spielautomaten und einer Musikbox, den Namen hab ich vergessen.“
„Interessant.“
Tina, Tini und Tobbi sahen sich an.
„Und gab es sonst noch irgendwelche Spuren?“
„Der Täter muß Strickhandschuhe getragen haben. Und man fand Fußabdrücke im Garten, die darauf schließen lassen, daß der Täter, oder besser, einer der Täter, sehr große Füße hat. Schuhgröße 46 war es, glaube ich. Ja, mehr kann ich euch darüber auch nicht sagen. Was fand man bei Frau Hofer noch?“
„Eine Garderobenmarke von einer Disco“, erzählte Tobbi. „Und etwas Zigarrenasche, das war alles.“
„Und die Polizei ist völlig hilflos“, murmelte Frau Erler bitter. „Jetzt sind es bald ein Dutzend Einbrüche, die alle die gleiche Handschrift tragen, und alle Nachforschungen verlaufen im Sande.“
„Wer wußte denn davon, daß Sie ein paar Tage verreisen wollten?“ erkundigte sich Tini.
„Alle!“ seufzte Frau Erler. „Wir hatten es ja überall erzählt. In den Läden, im Büro meines Mannes, bei den Nachbarn. Niemand dachte daran, daß so etwas geschehen könnte! Noch nie vorher ist hier in der Gegend eingebrochen worden!“
„Und die Nachbarn haben nichts gehört?“ fragte Tini weiter und ging zu der großen Terrassentür hinüber, von der aus man den Garten überblicken konnte.
„Nein, niemand, die Häuser liegen ja auch so weit voneinander entfernt, es sind Bäume, Büsche und dichte Hecken dazwischen. Außerdem muß es in der Nacht recht laut gewesen sein. Das kommt vor, seit die Damen vom Club drüben einen Kellerraum an Jugendliche vermietet haben. So lange sie die Fenster geschlossen halten, hört man nichts, aber wenn sie sie öffnen, hört man die Musik im ganzen Viertel. Nun, das passiert nicht oft, und wir drücken ein Auge zu, so lange sich der Lärm in Grenzen hält. Schließlich wollen die jungen Leute mal nach Herzenslust tanzen. Es erstaunt mich nur, daß die alten Damen den Krach aushalten.“
„Sagten Sie eben Club?“ fragte Tina.
„Ja, der Seniorenclub Abendsonne. Es ist das Haus dort drüben, das Grundstück grenzt an unseres. Ein paar alte Damen haben sich dort für ihren Lebensabend eingerichtet, außerdem gibt es Clubräume für Veranstaltungen und eine Bibliothek.“
„Gehört das Haus dem Club?“
„Ja, sie haben es von einer verwitweten Generalin gekauft. Sie war wohl recht verarmt und erbte plötzlich das Haus. Wie ich hörte, hat sie dem Club das Haus mit Grundstück gegen die Zahlung einer Leibrente vermacht. Außerdem ist sie Ehrenpräsidentin des Vereins.“
„So ein riesiges altes Haus zu erhalten muß ja auch eine Menge Geld kosten“, bemerkte Tobbi. „Kein Wunder, daß sie die Sorge los sein wollte.“
„Ja, wir wollen Sie dann auch nicht länger aufhalten“, sagte Tini und streckte Frau Erler die Hand hin. „Vielen Dank, daß Sie uns unsere Fragen beantwortet haben. Und entschuldigen Sie nochmals die Störung!“
„Warum hattest du es plötzlich so eilig?“
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