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Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition)

Titel: Die geheimnisvolle Sanduhr (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Tenner
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entsetzt, ich war einfach nur leer. Erst einige Minuten später, als ich an der frischen Luft war, fingen meine Hände an zu zittern. Ich schob den leblosen Köper zur Seite und drehte mich auf den Rücken, mein Herz hatte sein Tempo verdreifacht, ich versuchte, meinen Atem zu beruhigen. Dann kam mir der Zeitfaktor in den Sinn. Ich schaute auf die Uhr. Höchstens noch vierzig Minuten. Bis zur Explosion. Oder den Explosionen. Selbst wenn ich sofort ein Telefon finden und die Polizei verständigen würde, war die Chance, dass ein Einsatzkommando die Verbrecher rechtzeitig finden würde, gegen null tendierend. Und selbst, wenn man sie fand, würde die Zeit nicht für eine Entschärfung reichen.
    Immer wieder die Zeit. Möglichweise hatte Smith sogar recht mit seiner Behauptung, dass man sie gar nicht entschärfen konnte. Bliebe nur ein Abtransport, weg von Menschen und wichtigen Gebäuden. Doch auch hierfür war die Zeit einfach zu knapp bemessen. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch! Dieser Vers von Friedrich Hölderlin aus seinem Gedicht „Patmos“ hat mich jahrzehntelang begleitet. Nah ist und schwer zu fassen der Gott. So lautete die Einganszeile. Ich habe mehr über dieses Gedicht im Leben nachgedacht, als über manches seitenreiche philosophische Werk. Vielleicht sind Dichter mit ihrem Gefühl oder ihrer Art des Denkens der Wahrheit doch näher gekommen als die Philosophen mit ihrer Vernunft oder die Wissenschaftler mit ihrem Verstand. Ich musste die Katastrophe verhindern. Ich erhob mich mühsam und schaute mich um, Smith hatte in der ersten Reihe gesessen und sich bei meinem Eintreten mit seinem Oberkörper vorgebeugt gehabt. Ich schaute in den Gang zwischen den Sitzplätzen und der Balustrade. Ich hatte Glück, die Bombe war nicht schwer zu finden, der metallene Zylinder war einfach unter die Fußstütze am Platz 8, direkt unter dem zwei Meter hohen Messingleuchter mit den elektrischen Kerzen geklemmt worden.
    Ich zog den Behälter vorsichtig hervor, er war nicht allzu groß, nur etwa fünfzig Zentimeter lang und der Durchmesser mochte dreizehn oder vierzehn Zentimeter betragen, aber er war doch schwerer als ich dies bei dieser Größe erwartet hatte. Es gab keine Öffnung, keine Schrauben oder irgendwelche Schweißnähte. Ich hielt mein Ohr an die metallene Hülle. Es war kein Ticken oder irgendein anderes Geräusch aus dem Inneren zu vernehmen. Als ich die Tür zum Gang öffnen wollte, war sie verschlossen, ich legte die Bombe vorsichtig ab und ging zu dem am Boden liegenden Toten, in seiner rechten Jacketttasche fand ich mehrere Schlüssel. Beim dritten Versuch hatte ich den passenden gefunden und konnte die Tür öffnen. Es gab keine Besucher oder Aufsichtspersonal im Gang, ich schloss von außen die Loge wieder ab. Dann nahm ich die Bombe wie ein Baby auf den Arm und ging schnellen, aber auch sehr vorsichtigen Schrittes die Treppe herunter, mein Mantel war an mehreren Stellen eingerissen. Ich legte den Zylinder kurz auf den Treppenabsatz und zog den Mantel aus und bedeckte die Bombe. Ich wollte nicht, dass man mir am Ausgang irgendwelche Fragen stellte. Kurz vor Erreichen des Portals nahm ich den Zylinder in einen Arm und hängte meinen Mantel darüber, es sah etwas eigenartig aus, aber einer der Angestellten war in ein Gespräch mit zwei Besuchern vertieft, der andere ging in diesem Augenblick zur Kasse und holte einige Prospekte, die er an die neuen Besucher verteilen wollte. Ich kam unbemerkt durch die Tür. Die kalte Winterluft tat mir gut, auch wenn ich jetzt die Erregung meines Körpers erst richtig spürte. Ich warf den ohnehin zerschlissenen Mantel in weiten Bogen fort und nahm den Zylinder wieder in beide Arme. Einen Augenblick zögerte ich, in welche Richtung ich laufen sollte. Dann entschloss ich mich, die Richtung zur Nationalgalerie zu wählen. Nach etwa hundert Metern stürzte ich auf die Friedrichbrücke, lief genau bis zum Scheitelpunkt und schaute auf das schwarze Wasser, in dem sich die Lichter einiger Laternen spiegelten. Mit aller Kraft warf ich den Zylinder in die Mitte des Flussbeckens. Es gab ein lautes Klatschen, ich konnte nicht sehen, ob der Zylinder auf den Boden sank. Ich hoffte, dass einige Meter Wasser über der Bombe und die Entfernung groß genug sein würden, um das Schlimmste zu verhindern. Ich hörte das Hupen eines Dampfers, der sich vom Stadtzentrum aus der Brücke näherte. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Dampfer am Heiligen Abend auf der Spree. Ich

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