Die geheimnisvollen Pergamente
schüttete unentwegt den Inhalt eines aufgeweichten Ledereimers in breite, steinerne Rinnen. Sean hielt an, ließ sein Pferd saufen und wusch sein Gesicht und die Arme. Er wartete, bis das Wasser, an dem zwei Dutzend Schafe und Ziegen getränkt wurden, wieder klar geworden war, dann trank auch er und zog sein Pferd weiter.
Während der nächsten zwei Stunden, als die Sonnenhitze größer und das Licht greller wurde, fragte er ein Dutzend Mal nach dem Jüdischen Viertel und bewegte sich mit schmerzenden Sohlen, Knien und mit krummem Rücken im Zickzack hierhin und dorthin.
Trotz der Schwierigkeiten und einiger gewiss unnötiger Umwege hatte er das sichere Gefühl, sich dem Haus al-Mustansirs, in dem die Freunde wohnten, zu nähern. Kurz vor Mittag übermannte ihn die Müdigkeit. Er kämpfte mit seiner Erschöpfung und gegen den Drang, sich in einem schattigen Winkel hinzukauern und zu schlafen. Nur der Gedanke an die paradiesischen Freuden in Joshuas geräumigem, schattigem Haus, an Essen, Wein und ungestörten Schlaf, hielt ihn aufrecht.
Er begann im Dahinstolpern von Palästen zu träumen, von Wasserbecken und lieblichen Sklavinnen, leiser Musik und den Umarmungen der erleichterten Freunde, die er so lange nicht gesehen hatte. Ab und zu erinnerten ihn die klirrenden Hufschläge und das Prusten des Pferdes an die heiße, staubige Wirklichkeit.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagte er zu sich selbst. Obwohl er sich Mut zusprach, half es nicht viel. Er bestaunte mit müden, schmutzverklebten Augen schimmernde Gebäude und glänzende Kuppeln und bewegte sich weiter dorthin, wo er glaubte, dass sein Ziel sei.
»Ich bin fremd hier«, sprach Sean einen Händler an und verbeugte sich. »Kennst du das Haus von ibn al-Mustansir?«
Der Gewürzhändler zeigte nach links und musterte Sean.
»Dort, an der alten Mauer vorbei. Hinter der Moschee mit dem Turm der Ungläubigen. Dort frag einen anderen – jeder kennt das Haus.«
»Allah sei Dank«, antwortete Sean, nickte und klatschte die Hand aufmunternd auf den Hals des Rappen. Eine kleine Staubwolke stieb auf. »Wie viele Schritte sind es noch bis dorthin?«
»Zwölf Dutzend, Fremder.«
Eine halbe Stunde später, und nachdem er dreimal gefragt hatte, stand Sean vor einer Hauswand aus dunklen Steinen. Die Tür zur Gasse trug einen Aufsatz aus einem geschnitzten Holzgitter, in dem einige Teile fehlten. Die Bruchstellen waren frisch. Sean versuchte sich zu erinnern, was ihm Uthman und Henri über das Aussehen des Hauses erzählt hatten; schließlich klopfte er an die Tür und rief in einem Kauderwelsch aus Arabisch und Englisch: »Wenn hier Uthman und Joshua wohnen… ein müder Wanderer ist endlich angekommen.«
Nur ein paar Kinder rannten durch die Gasse, schenkten ihm flüchtige Blicke und liefen lärmend weiter. Ein Dutzend Atemzüge nach Seans Klopfen öffnete sich die Tür. Henri stand im Rahmen, hinter ihm erkannte Sean Uthman.
»Endlich!« Henri breitete mit strahlendem Lächeln die Arme aus, zog Sean an sich und klopfte ihm auf die Schultern. »Wir haben so lange auf dich gewartet. Willkommen! Komm herein. Du siehst müde, aber unversehrt aus.«
»Ich bin unversehrt und müde«, sagte Sean und ließ sich ins Haus ziehen. Er war am Ziel. Seine Erleichterung darüber ließ seine Knie zittern.
Uthman verbeugte sich, schüttelte lange und fest Seans Handgelenk, umarmte ihn und sagte, ebenfalls hörbar erleichtert: »Willkommen, Sean. Ich versorge dein Pferd. Ich freue mich, dass du schließlich mit Allahs Hilfe hierher gefunden hast.«
Er nahm Sean die Zügel ab und begann die Schnallen und Riemen des Sattelgurts zu lösen. Er hob den Sattel, die Satteltaschen und den Sack vom Rücken des Pferdes, zog die klirrende Trense aus dem Maul und führte das Tier vom Eingang weg.
»Ich bringe ihn in den Mietstall. Dort bekommt dein Rappe alles, was er braucht.«
»Danke, Uthman.« Sean und Henri zerrten die Last ins Innere des Hauses. Mara kam aus der Küche und trug einen großen Becher und einen Krug.
»Trink, junger Herr«, sagte sie. »Auf dich wartet ein kräftiges Essen. Und ein weiches Lager.«
Sean dankte ihr, leerte mit drei langen Zügen den Becher, ohne zu wissen, was er trank. Das kühle Gebräu schmeckte zugleich säuerlich und süß. Es schien aufzumuntern und nicht nur den Durst zu löschen.
»Uthman! Bitte! Viel Futter und Wasser für den Rappen. Und jemand soll ihn waschen und striegeln. Er ist so schmutzig wie ich.« Etwas leiser fügte Sean hinzu:
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