Die geheimnisvollen Pergamente
aus den Augen.«
»Du willst, glaube ich, den nicht enden wollenden Strom der Zusammengerotteten anführen?«, wagte Abdullah zu fragen. Abu Lahab schüttelte heftig den Kopf und fuchtelte mit den Händen. Sonnenstrahlen fingen sich blitzend im Gold und in den Steinen der vielen Ringe, die er trug.
»Weit gefehlt! Wo denkst du hin? Allah wird die Unzufriedenen führen und ihre Waffen lenken. Ich bin nur jener Weise, der den Weckruf ausstößt.«
»Der Muezzin der aufgebrachten Menge, um es mit anderen Worten zu sagen.«
»Genau so ist es!«, bekräftigte der Schwerthändler.
Seit einigen Jahren war Abdullah der Oberste Leibwächter Lahabs. Zunächst, vor etwa zehn Jahren, war es seine Aufgabe gewesen, die Lager und Schmieden, die Handwerker und Sklaven zu bewachen und für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Später, als die Mauer um Abu Lahabs kleines Haus noch nicht stand, bewachte er das Haus und den Harem. Abermals ein paar Jahre später, als das Haus umgebaut, vergrößert und prunkvoll eingerichtet wurde, beaufsichtigte Abdullah mit einigen seiner Getreuen diese Arbeiten. Er hatte ein gutes Auskommen, verkehrte im Haus des Effendis und war, was jedermann wusste, zuverlässig, wenn es darum ging, Lahabs Befehle auszuführen.
Als er die letzten Befehle seines Herrn hörte und darüber nachdachte, begann er sich zu fragen, ob das Schwert des Glaubens, das Lahab zu schwingen gedachte, nicht zu schwer für dessen Arme war. Aber er schwieg.
»Wir werden tun, was du befiehlst, o Effendi«, sagte er. Abu Lahab nickte, er hatte nichts anderes erwartet. »Ich rufe die Männer zusammen und sage ihnen, wann und wo die wütende Menge zuschlagen soll«, sagte Abdullah.
»Halt! Bleib noch – da gibt es noch etwas, das du wissen musst. Mein Sohn Suleiman, Allah schenke ihm größere Vernunft, bildet sich in seiner unergründlichen Fantasie ein, eine Ungläubige zu lieben.«
Abdullah wusste seit langem, dass Abu Lahab seinen einzigen Sohn sehr liebte, aber bisweilen an ihm verzweifelte. Suleiman ben Lahab war vielleicht neunzehn, zwanzig Sommer alt, ein schwarzlockiger, glutäugiger Mann, der Bücher und Schriften mehr schätzte als frisch geschliffene Klingen, dachte Abdullah. Dass ausgerechnet Suleiman, ein gläubiger Muslim, eine Christin liebte – es schien undenkbar. Sie musste große Schönheit und Anmut besitzen.
»Eine Ungläubige. Dafür wird Allah ihn dereinst in der Dschehenna schmoren lassen. Warum erzählst du mir das, Effendi?«
»Weil du diese Christin finden musst.«
»Effendi!« Abdullah hob verzweifelt die Hände in die Höhe. Sand und gelber Staub rieselten aus den Falten seines Burnus. »Eine einzelne Christin in dieser großen Stadt zu finden ist kaum möglich. Wenn sie außerhalb der Mauern lebt, ist es… ach, vergiss es.«
»Ich vergesse niemals etwas. Such diese Christin.«
»Kennst du ihren Namen? Ihre Familie?«
»Nur Suleiman kennt sie.«
»Hast du ihn gefragt?«
»Tausendmal! Aber er schweigt wie ein Stein.«
Abdullah schüttelte den Kopf und senkte den Blick zu seinen Stiefelspitzen.
»Ich und meine Helfer werden Tag und Nacht suchen, o Abu Lahab. Aber wenn wir diese besondere Christin finden, dann ist es, mit Allahs Hilfe, ein Wunder.«
»Allah ist mit den Gläubigen und den Standhaften«, sagte ihm Abu Lahab grinsend. »Findet die Christin und gebt mir Bescheid.«
»Wir gehorchen, Effendi.«
Abdullah verbeugte sich, legte die Hand aufs Herz und ging mit müden Schritten aus dem Garten.
Im Garten, auf Leinen, die sich von Pfählen zu den untersten Ästen der Bäume spannten, trocknete Seans Kleidung. Mara hatte sie gewaschen und, wo nötig, ausgebessert. Uthman hatte Sean mit Gewändern ausgestattet, die er in den Truhen des väterlichen Hauses gefunden hatte. Sie rochen ungewohnt, nach Myrrhe und Minze und anderem, das Sean nicht kannte. Mit Hilfe eines lauwarmen Suds, geschnürter Ledersandalen, eines Turbans und eines breiten Stoffgürtels verwandelten Uthman und Mara den jungen Schotten in einen – wenn man nicht allzu genau nachschaute – arabischen Bewohner der Stadt. Sein Haar hatten sie färben können, seine Bartstoppeln waren nachgedunkelt, aber die blauen Augen blieben die eines Nordländers, eines Christen.
»Den Kopf immer im Schatten halten und manchmal das Tuch über das Kinn hochziehen«, sagte Henri. »Mir hat die Verkleidung immerhin halbwegs geholfen.«
»Wenn es hart auf hart geht«, sagte Sean, »hilft die beste Verkleidung nichts.«
»Dann haben wir
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