Die geheimnisvollen Pergamente
Schönen traf. Und vergiss nicht die willigen Sklavinnen, mit denen wir uns amüsiert haben.«
In sein Seufzen mischte sich das laute Stöhnen des Gastgebers.
»Alles war so, wie du es sagst. Aber ich bin nicht mein Sohn. Ich habe mich ans Herkömmliche gehalten. Aber Suleiman, Allah verderbe seine Wollust, hat sich in eine Ungläubige verliebt. In eine Christin! Ist es denn möglich? Mein einziger Sohn? Er redet von nichts anderem – selbst wenn er mit mir redet, was selten genug geschieht.«
»Mir fehlen die Worte«, bekannte Nadschib und füllte seine Schale. Beide Männer tranken; dann herrschte ein unbehagliches Schweigen.
Abu Lahabs Sohn liebt eine Andersgläubige, eine Ungläubige! Das war es also, dachte Nadschib.
In einer kupfernen Schale, unter der eine Kerzenflamme zuckte, brannte der Rest einer Tunke an und begann zu stinken. »Du weißt, dass ich nur selten sprachlos bin.«
Abu Lahab war sicherlich ein Handwerker, Händler und Geschäftsmann von beträchtlichem Können. Zwar hatte er die Kunst des Lesens und Schreibens niemals richtig gelernt, aber er rechnete fast so gut wie Nadschib. In seinem tiefsten Innern war der reiche Schwerthändler ein überzeugter Muslim, ein Araber, der zwar alles Fremde auf den Tod hasste, aber dennoch mit vielen Fremden bedenkenlos Handel trieb. Gold, Drachmen und Dinare bedeuteten ihm mehr als sein unbehagliches Gefühl, das ihm Juden und Christen bereiteten.
Abu Lahab war kein Kämpfer, dafür war er zu klein, zu dick und nicht beweglich genug. Er kämpfte mit Münzen, Überredungskunst und großer List.
»Wodurch wurde dein Missfallen an den Juden erregt, Abu Lahab? War es ihre Religion, oder sind es ihre Bräuche?«
»Sie verdienen Vermögen mit dem Verleihen von Geld. Sie beraten die Fürsten und sogar den Kaiser, wie man mir berichtet hat. Sie haben abstoßende Bräuche. Sie sagen, sie sind klüger als wir, weil sie in ihren alten Büchern lesen.« Er machte eine Pause und führte eine abfällige Geste aus. »Seit einiger Zeit und heute besonders missfällt mir darüber hinaus der Umstand, dass mein einziger Sohn, schreibkundig, aber missraten, von der angeblich mondgleichen Schönheit einer Ungläubigen schwärmt.«
»Suleiman hat sich in eine Christin verliebt?« Nadschib blinzelte überrascht. »Aber was hat die Ungläubige mit deiner Abneigung gegen die Juden zu tun?«
»In Europa, wie die Ungläubigen das Abendland nennen, die Franken und Nachfahren der Kreuzritter, haben sie viel Einfluss und Macht. Sie beraten zu ihrem Vorteil, wie man mir sagte, die Könige und den Kaiser.«
»Woher hast du dieses erstaunliche Wissen?«
»Das weiß jeder. Der Händler, der in Akkon meine Dolche und Schwerter verkauft, redet mit den Seefahrern und den Schiffskapitänen. Die haben es ihm berichtet. Wenn sie erfahren, dass es ihren Leuten hier schlecht ergeht, werden sie sagen: ›Lasst uns wieder gegen die Muselmanen ziehen, gegen die Sarazenen.‹ Und dann«, Abu Lahab lachte und verschüttete Wein aus der Trinkschale, »wird mein Lager der schönen Schwerter schnell leer sein.«
»Und deine Geldtruhe wird voller und voller.« Es waren gefährliche Träume, sagte sich Nadschib, die Abu Lahabs Nächte füllten. Aber er schwieg. Er glaubte seinen Herrn so gut wie kein anderer zu kennen. Träume und Missbilligung lagen in einer Schale der Waage, das gefährliche Handeln in der anderen. Allah hielt meist die Waagschalen in gleicher Höhe und sorgte für Ausgleich und für Frieden. Er wartete, bis Abu Lahabs sattes Gelächter aufgehört hatte.
»Was willst du tun, um Suleiman von seinem… merkwürdigen Verhalten abzubringen?«
»Ich werde ihm ernste Vorhaltungen machen.« Abu Lahab stöhnte und fuhr mit den Fingern durch seinen Bart. »Er ist jedoch der Einzige für mich. Mein Erbe! Es muss mir gelingen, diese Christin zu finden und ihr zu verbieten, an Suleiman auch nur zu denken.«
»Es wird nicht leicht werden, o Freund. Al Quds ist groß, es gibt so viele Leute hier, sogar viele Christinnen.«
»Ich ahne es. Aber was bleibt mir übrig, Nadschib?«
Nadschib zuckte mit den Schultern und ließ zu, dass Abu Lahab wieder die Schalen füllte.
»Ich weiß es nicht«, antwortete Nadschib nach einer Weile leise. »Ich vermag dir nur einen Rat zu geben.«
»Ich höre?«
»Allah hat die Zeit geschaffen. Von Eile hat er seinen Propheten nichts sagen lassen – Eile ist ein Geschenk des Teufels. Warte ab. Vieles ändert sich mit der Zeit.«
»Trotzdem werde ich meine
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