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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Schatten, bewegte sich ein braunes Stück Stoff. Der Burnus! Sean rannte weiter, hielt sich an der Säule fest und schwang sich herum, er stolperte, raffte sich aber sogleich wieder auf und lief weiter. Der Araber vor ihm sprang eine Treppe hinauf, wobei er stets drei Stufen auf einmal nahm. Sean folgte ihm und sah unter dem Burnus gebräunte Waden und Füße in geschnürten Ledersandalen.
    Er holte Atem und rief: »Bleib stehen! Ich will mit dir reden, sonst nichts.«
    Er bekam keine Antwort. Der Flüchtende war am oberen Ende der Treppe angelangt, die zwischen nackten Mauern verlief. Er sprang nach links, zog sich an einem Mäuerchen hoch und balancierte auf der Kante, schnell und sicher wie eine Katze. Sean erreichte die Mauer, schwang sich in die Höhe und lief auf knirschenden Steinen dem Muslim hinterher. Er war weniger gewandt als der, den er verfolgte. Die Mauer war kaum hundert Schritte lang, und rechts davon erstreckte sich ein weitläufiger Garten. Die Wipfel junger Bäume reichten gerade bis zur Mauerkrone. Beide Männer rannten bis zum Ende der Mauer, der Araber hatte einen Vorsprung von etwa fünfundzwanzig Ellen. Der Verfolgte trug einen weißen Turban, der sich aufzulösen begann. Als Sean strauchelte, sprang der Flüchtende von der Mauer. Er lief um zwei Ecken herum, wo nur sein Schatten über die roten Wände huschte, dann wechselte er in eine breite Gasse. Sie war voller Menschen, lastentragenden Eseln und einem Pferdekarren, zwischen denen der Muslim sich seinen Weg im Zickzack bahnte. Von seinem Erkundungsgang mit Uthman wusste Sean, dass sich am Ende der Gasse ein viereckiger, mit drei Palmen bestandener Platz ausbreitete. Sean versuchte, dem Flüchtenden zu folgen, aber die Männer, die dieser zur Seite gestoßen und angerempelt hatte, streckten fluchend die Arme nach ihm aus und hielten ihn auf. Mit Mühe riss er sich los, stürzte aber kurz darauf gegen eine Mauer. Er rappelte sich hoch, stieß sich ab und begann wieder zu rennen.
    Als er das Ende der Gasse erreicht hatte, war der Mann mit dem weißen Turban verschwunden. Sean sprang zur Seite, beschattete die Augen mit der Hand und blickte sich um. Auch zwischen den wenigen Marktständen, unter den Vordächern, in den Nischen neben den Hauseingängen und hinter den Stapeln aus Körben und Tonkrügen konnte er den Flüchtenden nicht entdecken.
    Er schwitzte am ganzen Körper und wischte sich den Schweiß aus den Brauen und den Augen. Als sich seine Blicke wieder geklärt hatten, sah er die vielen dreieckigen Schatten der Mauervorsprünge, Erker und vorstehenden Quader. Er hob den Kopf und suchte die Dachkanten und Brüstungen der Häuser ab. Um ihn herum trippelten Esel und eine kleine Herde Ziegen, Lastenträger und Männer mit Krügen auf den Schultern. Eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel wahrnahm, ließ ihn zusammenzucken.
    Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes, hinter der Brüstung eines Flachdachs, richtete sich der Flüchtende auf. Er warf nur einen Blick abwärts. Seine Augen fanden Seans Gesicht; sofort verschwand er wieder hinter der Brüstung.
    Der kurze Blick hatte Sean genügt. Er presste den Turban fester auf den Kopf, rannte am Rand des Platzes entlang und sprang auf einen abgestellten Karren. Er packte einen vorstehenden Stein, zog sich in die Höhe, stellte seinen Fuß auf ein Mauersims und kletterte an der Seite des Erkers aufwärts. Vier Ellen, fünf, sechs, dann fanden seine Finger Halt an einem dicken Dachbalken, seine Füße stießen ihn vom Dach des Erkers hoch, und Sean warf sich über die Kante der Brüstung.
    Einen Augenblick lang strampelten seine Beine im Leeren. Zwei Atemzüge später rollte er sich seitwärts ab, fiel zwischen Stroh, dürres Holz und zerbrochene Körbe auf den Boden und kam wieder auf die Beine. Drei Dächer vor ihm sprang der Verfolgte gerade von einem Haus zum anderen, über einen vier Ellen breiten Zwischenraum hinweg.
    Sean nahm die Verfolgung auf und rannte über die Dächer. Zweimal fegte er zwischen kreischenden Frauen hindurch, tauchte keuchend unter trocknenden Tüchern und Laken ab, hastete weiter und kam dem Mann mit dem weißen Turban einige Fußbreit näher. Ein Teil des weißen Tuchstreifens wehte hinter den Schultern des Arabers durch die Luft. Sean glaubte erkennen zu können, dass sie sich in einem weiten Halbkreis dem Haus al-Mustansirs näherten. Hin und wieder wagte Sean nach unten zu blicken. Er hoffte, Uthman in den Gassen oder auf einer Treppe zu sehen, aber

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