Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
Vom Netzwerk:
und richtete die Blicke auf den Anführer nahe der linken Quergasse. Der Mann winkte mit beiden Armen und schien den Takt zu der schauerlichen Musik zu schlagen. Früchte klatschten gegen die Mauer und färbten sie gelb und rot. Ihr klebriger Saft rann und tropfte langsam daran herunter.
    Ein zweiter Steinhagel zertrümmerte den Rest des Schnitzwerks an der Tür, Wurfgeschosse fielen innen auf den Boden. Sean duckte sich wieder, wartete die nächsten Schreie und Flüche ab. Er hatte befürchtet, dass die Menge einige Leitern mitgebracht hätte und mit ihrer Hilfe das Dach stürmen könnte. Aber daran hatte wohl keiner gedacht.
    Sean blickte nach rechts. Er sah, wie sich hinten in der Gasse ein einzelner Mann näherte. Gleichzeitig sah er, wie links einige Männer die Gasse betraten, die mit beiden Händen gebündelte Fackeln trugen. Die Stäbe staken so eng beieinander in ihren Fäusten, dass sich die Fackeln, die nicht loderten, an den wenigen brennenden Fackeln entzündeten. Die Fackelträger erreichten den Rand der wütenden Menschenmenge und teilten die Fackeln aus, die weitergereicht wurden und innerhalb kurzer Zeit die Gasse mit knisternden, funkensprühenden Flammen und Rauchschwaden ausfüllten.
    Im Licht der Fackeln, die von links nach rechts gewandert waren, sah Sean den jungen Steinewerfer. Es war nicht schwer, ihn wiederzuerkennen. Sean richtete sich auf, beugte sich nach vorn und musterte die einzelne Gestalt, die schreiend, rennend und winkend auf die Meute der Belagerer zulief.
    »Ein Abend voller Überraschungen«, sagte sich Sean. »Du wirst keinen verdammten Stein mehr nach mir schleudern!«
    Von der Gasse schallten unverändert die Rufe und das hasserfüllte Gebrüll herüber: »Tod den Ungläubigen! Schlagt die Christen und die Juden tot!«
    Er konnte nicht recht glauben, was er sah. Was hatte das zu bedeuten? Der junge Mann, den er erfolglos verfolgt hatte, brüllte die Rasenden an, er schien sie gleichzeitig zu beschimpfen und zu beruhigen. Der Junge sah wohl den Anführer im weißen Turban nicht – oder wollte ihn nicht sehen. Mühsam verstand Sean einzelne Worte dessen, was der junge Mann schrie:
    »… Drachmen… keine würdigen Muslime… aufhetzen… ehrenwerte Menschen… versündigt euch nicht…!«
    Der Steinewerfer schrie mit aller Kraft. Er entriss einem der Aufrührer die Fackel und schwenkte sie wie wild über seinem Kopf. Lange Flammen und Funkenspuren zeichneten Kreise und Halbkreise in die raucherfüllte Luft. Die versammelten Männer wichen zögernd vor dem Einzelnen zurück.
    Sean dachte an den alten Joshua, den dieser Aufruhr wieder an Verfolgung, Pogrome und den Tod seiner Familie erinnerte. Auch Uthman und Henri würden verzweifeln müssen, wenn sie sich der aufgebrachten Menge gegenübersahen.
    Sean warf einen letzten Blick auf die Menschenmenge, die vielen Fackeln, den aufgeregt schreienden Muslim, dann rannte er die Treppen hinunter zu Henri und Uthman.
    Draußen tobten die Muslime, aber eine Stimme war lauter als das Gebrüll der Vielen. Der Lärm, sagte sich Sean, schien nun ein wenig leiser und weniger erbittert zu sein.
    »Dieser Steine werfende Kerl«, rief Sean durch das Geschrei und das Poltern einzelner Steine gegen die Tür, »er wirkt draußen auf die Menge ein. Mir scheint, er will sie vertreiben.«
    Wieder donnerten schwere Steine gegen die Tür. Die drei hörten Holz splittern und Eisen klirren. Henri deutete auf die Tür.
    »Sollen wir uns verteidigen?«
    »Warte noch.« Uthman hob die Hand. Im Hintergrund der Eingangshalle, im Eingang zur Küche, standen Joshua und Mara. Joshua hatte die Hand auf Maras Arm gelegt und schien sie zu beruhigen, aber sein Gesichtsausdruck zeigte selbst im Halbdunkel, dass er sich fürchtete. Die Freunde warteten schweigend, die Schwerter in den Händen. Wieder klirrte ein Stein am eisernen Türbeschlag.
    »Es ist tatsächlich ruhiger geworden«, stellte Uthman nach einer Weile fest.
    Sie hörten nur noch den jungen Araber. Niemand schrie mehr »Tod den Ungläubigen«, aber mehrere Männer schienen sich zu streiten. Von dem Wortwechsel war wenig oder, zumindest für Henri und Sean, nichts zu verstehen. Einige Zeit später riss auch das laute Wortgefecht ab.
    »Ich habe es nicht für möglich gehalten«, gestand Henri.
    »Sie scheinen tatsächlich abzuziehen«, sagte Uthman. Und an Sean und Henri gewandt, fügte er hinzu: »Bleibt hier. Ich sehe nach.«
    Er hastete zum Dach hinauf, während der Lärm vor dem Haus dem Geräusch

Weitere Kostenlose Bücher