Die geheimnisvollen Pergamente
und hob einen Brotfladen auf. Er zögerte, ehe er ihn auseinanderbrach und hineinbiss.
Er hatte enorme Zweifel, ob sein Plan glücken würde. Es gab so viele Widerstände, so viele Männer, die seine Absichten für die Verrücktheiten eines jungen Mannes hielten, der zu sorgenfrei aufgewachsen war. Oder gar für Sünde gegen Allah. Oder Schlimmeres. Aber es war ihm gelungen, den Angriff vor dem Haus al-Mustansirs zurückzuschlagen, die Meute zu zerstreuen. Die Anrufung Allahs, dessen Prophet die christlichen und jüdischen Gläubigen nicht anerkannten, hatte die aufgebrachte Menschenmenge zerstreut. Aber er wusste, dass die Männer keinen Hass empfanden und alles andere als mordlustig waren.
Jemand hat sie aufgehetzt. Man hat sie bezahlt oder ihnen etwas versprochen, sagte er sich. Aber da war noch mehr geschehen. Einige in der Menge hatten ihn erkannt und sich von ihm, wenn auch mit viel Geschrei, überzeugen lassen. Eigentlich waren sie alle feige gewesen – und gutmütig. Es waren dumme, ungebildete Menschen, aber treue Seelen, die im täglichen Leben niemandem etwas antun würden. Er aß, ohne eigentlich zu schmecken, was er zwischen die Zähne schob und kaute.
10
Der letzte Zweikampf
Drei Stunden nach Sonnenaufgang öffnete Uthman die Haustür, sah sich um und lachte kurz auf.
»Bisher waren die Schäden nicht allzu groß«, sagte er über die Schulter und deutete auf die Holzsplitter, die Steine und die zerbrochenen, erloschenen Fackeln, die schwarze Brandflecken hinterlassen hatten. »Hoffentlich lebt der Holzschnitzer noch, der für meinen Vater gearbeitet hat.«
Er schob mit dem Fuß ein paar Splitter und Späne zur Seite und wartete, bis Sean das Haus verlassen und Henri die Tür von innen wieder verriegelt hatte.
»Gehen wir!«
Wieder hatte ein sonniger Tag begonnen, der heiß und schattenlos zu werden versprach. Keiner der wenigen Stadtbewohner, die nun schon durch die Gasse liefen, achtete auf die Reste der gestrigen Belagerung. Die vier Männer hatten sich in den Nachtstunden abgelöst; die letzte Wache hatte Joshua übernommen, weil er, wie er sagte, ohnehin schlecht schlief und stets als Erster aufwachte. Die zweite Hälfte der Nacht war wie jede andere bisher ruhig gewesen, bis die Rufe des Muezzins die Stadt geweckt hatten.
»Wir können nur hoffen, dass es nicht noch einmal zu so einer Zusammenrottung kommt«, sagte Sean.
»Das hoffe ich auch«, antwortete Uthman. Er trug seine gewohnte Kleidung, und Sean hatte sich wieder als Araber getarnt. »Aber wir sollten über verschiedene Dinge reden, die dir zugestoßen sind. Oder von denen du erzählt hast.«
»Du meinst diesen Araber, den Anführer meiner Entführer?«
»Ja. Den meine ich.«
Sean zuckte mit den Schultern, blickte nach hinten, sah sich um und ging langsam weiter.
»Wenn es denn so ist, wenn alles zusammenhängt, dann hat dieser Kerl die Menschenmenge gestern Abend dorthin geführt und aufgehetzt. Er und vielleicht die anderen Männer, die mich entführt haben. Der junge Araber, den ich verfolgt habe und der die Leute auseinandergetrieben hat, gehört auch dazu. Wie und warum, das weiß ich allerdings nicht.«
»Wenn du es nicht weißt, wie soll ich es dann wissen? Oder Henri?«
Sean zog ein zweites Mal die Schultern hoch. Uthman ging zielbewusst weiter. Sie wechselten aus einem breiten sandigen Weg über eine Brücke auf eine Straße. Sie war von Palmen und Zypressen gesäumt. Gespanne, Lasttiere und Händler, wenige verschleierte Frauen und viele Müßiggänger bevölkerten die Straße. Viele Menschen versammelten sich um Brunnen und Marktstände. Sean und Uthman betrachteten das bunte Treiben.
»Ich traue dem Frieden nicht«, sagte Uthman unvermittelt. »Da steckt doch mehr dahinter.«
»Wir haben drei seltsame Botschaften erhalten.«
»Und wir werden herausfinden, wer sie uns geschickt hat. Er wird uns einiges erklären müssen.«
»Das kann lange dauern«, murmelte Sean. Er stieß Uthman an und deutete verstohlen zu den Säulen, zwischen denen das Wasser des Brunnens plätscherte. Als Sean den Kopf bewegte, schmerzten plötzlich wieder die Wunde und die Beule im Nacken. »Dort steht er. Dort ist er wieder, der junge Araber, dem ich nachgerannt bin.«
»Wo? Am Brunnen?«
»Im Schatten, zwischen den weißen Säulen.«
Uthman legte die flache Hand über die Augen und versuchte, das farbenfrohe Gewimmel mit Blicken zu durchdringen.
»Jetzt sehe ich ihn auch«, sagte Uthman und ging einige Schritte zur Seite.
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