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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Schultern.
    Uthman hatte in einer Truhe, die in der kleinen Waffenkammer seines Vaters stand, einige Metallhelme gefunden. Um den Rand waren, wie ein dünner Turban, Stoffstreifen gedreht, die Helme liefen vorne spitz zu. Er stellte sie auf den Tisch, auf dem die übrigen Waffen ausgebreitet waren.
    Dann schaute er zu Henri hinauf und rief: »Wenn du dein edles Haupt schützen willst, Henri, hier sind ein paar Helme. Sie sind alt, aber brauchbar.«
    »Hoffentlich brauchen wir sie nicht.«
    Sean kam aus seiner Kammer, musterte die Waffen und sagte nach kurzer Überlegung: »Wenn sie angreifen, und drei muslimische Krieger stellen sich gegen sie, werden sie vielleicht innehalten. Was glaubst du, Uthman?«
    »Die Verkleidung wird sie nicht lange in die Irre führen. Sie haben einen Auftrag, davon wird sie kaum etwas abhalten.«
    »Sie sind aufgehetzt worden.«
    Henri kam die Stufen herunter und zog seinen Burnus aus. Die drei Männer halfen sich gegenseitig. Durch die Haustür hörten sie das anschwellende Murmeln der Menschenmenge, die ständig zunahm. Während Henri das Kettenhemd überstreifte, lief Sean aufs Dach und warf einen langen Blick in die Gasse. Als er die Treppe herunterkam, sah er, dass Joshua seine kostbaren Bücher in Truhen und Körben verstaute und in Sicherheit zu bringen versuchte. Sean zog ein Lederhemd an, das mit Eisenplättchen besetzt war, streifte den Burnus über und legte den Schwertgurt an. Einer der Helme passte ihm, aber als er ihn aufsetzte, begann die Wunde in seinem Nacken wieder zu bluten.
    Es dauerte einige Zeit, bis Uthman, Henri und Sean sich ausgerüstet und bewaffnet hatten. Auf den ersten Blick und im Halbdunkel der Eingangshalle wirkten sie tatsächlich wie muslimische Krieger. Sean steckte den Morgenstern in den Gürtel und stapfte aufs leere Dach. Die Gasse hatte sich fast gefüllt. Ungefähr einhundertzwanzig Männer jeden Alters standen dicht gedrängt vor dem Haus. Schweigend blickte Sean unter dem Rand des Helms umher, er sah in die kindlichen Gesichter und versuchte, sich auszumalen, was ihnen drohte. Plötzlich schärfte sich sein Blick.
    »Schau an«, sagte er zu sich selbst. »Dich kenne ich doch, du muslimischer Schurke.«
    Am äußersten linken Rand der versammelten Menge stand ein hochgewachsener Mann im schwarzen Burnus und mit einem hohen Turban. Er beobachtete die Menschenmenge, als sei sie ihm Untertan oder er ihr Anführer. Sean brauchte keinen Atemzug lang, um sich genau zu erinnern: Es war der Anführer, mit dem er als Gefangener in dem Felsenkessel abseits der Straße geredet hatte. Dieser Mann hatte mit fünf oder sechs Reitern die Gruppe der Entführer verlassen und war in Richtung Jerusalem davongeritten.
    Und jetzt war er hier. Also hatten seine Entführung und dieser Aufruhr etwas miteinander zu tun. Ebenso wie der Aufruhr und der Muslim mit dem weißen Turban. Kein Zweifel, er war es. Das scharf geschnittene Gesicht, die tiefen Falten und der spöttische Mund, der von einem schwarzen, gekräuselten Bart umgeben war. Er war es tatsächlich! Die Gasse lag im Abendschatten, das letzte Sonnenlicht modellierte den Muslim mit dem weißen Turban zwischen den Mauern wie eine bedeutungsvolle Statue hervor. Viele Männer starrten ihn wie gebannt an. Einige der Versammelten hielten Steine in den Händen. Die Männer zählten nicht zu den reichen Bewohnern der Stadt, was ihre ärmliche, oftmals schmutzige oder abgetragene Kleidung deutlich machte.
    Plötzlich schallte ein gellender Ruf durch die Gasse: »Tod den Ungläubigen!«
    Ein schauerlicher Chor durcheinandermurmelnder, -rufender, -fluchender und -schreiender Stimmen antwortete.
    »Tod den Christen! Nieder mit ihnen!«
    »Schlagt sie tot!«
    »Allah verdamme sie! Treibt sie aus der Stadt!«
    »Sie schänden die Heilige Stadt!«
    Ein Hagel von Steinen, Melonen und halb verdorbenen Früchten prasselte gegen die Hauswand und die Tür. Das geschnitzte Gitter zerbrach in Splitter.
    Ein Teil der Wurfgeschosse prallte von der Mauer ab und traf die ganz vorn Stehenden. Ein furchterregendes Geheul aus Wut-und Schmerzensschreien mischte sich in die Beschimpfungen. Geschrei kam auch wie ein Echo aus den angrenzenden Gassen. Aber noch immer blieb ein kleiner Halbkreis genau vor der Eingangstür frei. Einige Belagerer schwangen Knüppel, ein paar Dolche blitzten, hier und dort wurde ein Schwert in die Luft gereckt.
    Als die ersten Steine flogen, hatte sich Sean geduckt. Jetzt hob er den Kopf wieder über die Brüstung

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