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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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ins Haus, tastete sich am Rand der besudelten Treppe langsam nach unten und fühlte er kalten Schweiß auf seinem Körper.
    »Herr, steh uns bei!«, flehte Joshua leise. Er war bleich, und seine Finger zitterten ebenso wie seine Stimme. »Was ist geschehen? Wollten uns diese Männer töten?«
    »Zwei knarrende Holzstufen haben uns gerettet«, antwortete Henri dumpf. »Dieser alten Treppe hier haben wir unser Leben zu verdanken.«
    »Das waren Assassinen, gedungene Mörder.« Sean, der zusammen mit Uthman weitere Kerzen und Öllampen anzündeten, blickte kopfschüttelnd auf die Blutlachen. »Du glaubst, die kommen nicht wieder zurück?«
    »Die beiden hier, auf jeden Fall nicht«, knurrte Henri. »Was morgen ist, wissen wir nicht.«
    Als zwei Dutzend Kerzen und Ölflammen brannten und die entsetzte Mara damit fertig war, in der Küche unter großen Töpfen und Kesseln Feuer zu schüren, war Joshua noch immer zu Tode erschrocken. An Schlaf war nicht mehr zu denken. Treppen, Dach und Korridore waren voller Blut. Die Gefährten dachten in dieser Stunde nicht an die schwarz gekleideten Männer in der Gasse. Es war ihnen gleichgültig, ob sie noch warteten oder das Weite gesucht hatten.
    »Ich treibe ein paar Tagelöhner zusammen«, sagte Uthman resigniert. »Morgen früh. Sie sollen das viele Blut wegwischen. Für den Moment ist die Gefahr gebannt, aber auch nur für den Moment.«
    »Wir wissen noch immer nicht mehr, als dass Suleiman nicht wie verabredet vorbeigekommen ist und dass zwei Männer versucht haben, uns zu töten. Wir sind jemandem, der gedungene Mörder ausschickt, anscheinend mehr als nur ein Dorn im Auge.« Henri nickte und zog sich in sein Zimmer zurück. Auf dem Weg dorthin rief er den anderen über die Schulter noch zu: »Denkt darüber nach!«
    »Inshallah! Eine grausige Nacht!«, knurrte Uthman. Dass Muslime ins Haus seines Vaters eingedrungen waren, um zu töten und zu morden, erfüllte ihn mit kochendem Ingrimm. Er würde morgen Anklage gegen den unbekannten Mächtigen bei den Mullahs und beim Emir der Stadt erheben.
    Henri setzte sich an den Rand seines Lagers und begann seine Waffen zu säubern. Als sie wieder in den Scheiden ruhten, blickte er an sich herunter und sah nicht ohne Verwunderung, dass sein Körper voller Blutspritzer war. Er fand ein paar trockene Tücher und ging, eine Kerze in der einen und das Schwert in der anderen Hand, in den Garten, um sich zu waschen.
     
    Abdullah ibn Aziz hielt sich für einen klugen Mann. Immerhin klug genug, einen Gegner nicht zu unterschätzen, was immer tödliche Folgen haben konnte. Er hätte, sagte er sich, Abu Lahab mit überzeugenden Worten davon abhalten sollen, auf nackte Gewalt zu setzen. Stattdessen hatte er den Befehlen seines Herrn gehorcht. Und, wenn er aufrichtig war, er hatte es nicht für möglich gehalten, dass zwei seiner Männer – die Besten! – im Haus der Ungläubigen jenes Blutbad anrichten konnten, von dem Abu Lahab träumte.
    Er hatte der Versuchung widerstanden, selbst aufs Dach des Hauses zu klettern. Das Warten war qualvoll gewesen und hatte ihn mit Abscheu erfüllt; er war Wächter, Krieger, Kämpfer – aber kein Meuchler. Aus dem Haus waren klirrende Schwerter und unterdrückte Schreie, Poltern und Krachen zu hören gewesen. Dann war Stille eingekehrt, durchbrochen von leisen Schritten.
    Dann fielen mit einem Mal zwei schlaffe, blutüberströmte Körper von der Dachbrüstung zwischen seine Männer. Sie schlugen dumpf auf das Pflaster auf und verspritzten sehr viel Blut.
    »Allahu Akbar!«, ächzte Abdullah. »Allah ist groß!« Er brauchte nicht nachzusehen, er wusste: Die beiden Assassinen waren tot. »Das hab ich nicht gewollt. Diese Ungläubigen…« Er beendete den Satz nicht und sah zu, wie die schweren Körper aufgehoben und auf die halb zerbrochenen Leitern gelegt wurden.
    Er wartete darauf, dass die Ungläubigen auch die Schwerter der Eindringlinge hinunterwarfen, aber es tat sich nichts mehr. Die Waffen behielten sie offenbar als Beweis oder Trophäe. Er hätte an ihrer Stelle nicht anders gehandelt.
    Seine Stimme durchschnitt die dunkle Nacht wie eine Sichel.
    »Die Leitern. Schleppt sie weg! Niemand darf uns sehen. Unsere beiden Märtyrer, die Allah zu sich geholt hat, tragt sie weg. Wickelt sie in Mäntel oder Decken, damit niemand die Blutspur verfolgen kann. Bei Allah! Macht schnell!«
    Er packte selbst mit an. Unterdrückte Flüche, knarrendes Holz, Schritte und Keuchen fingen sich zwischen den Mauern. Dann

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