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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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sie alle vom Angesicht des Erdbodens getilgt.«
    »Du würdest dich wundern, Vater der Doppelschneide!« Abdullah stand auf und verbeugte sich.
    »Ich darf mich entfernen?«
    Abu Lahab nickte.
    »Du bist willkommen, wenn du mir sagen kannst, wo die Christin und ihre sicherlich unzüchtige Familie wohnen!«
    »Bis dahin«, Abdullah legte die Hand auf seine Brust, verneigte sich ein zweites Mal und entfernte sich rückwärts gehend, »denke über die Kosten des Erfolgs nach und die Schwierigkeit, ein Schaf zu melken und gleichzeitig zu braten. Salaam.«
    Er wartete nicht auf die gemurmelte Antwort Abu Lahabs, der den Arm auf das Knie und das Kinn in die Hand stützte und ihm blicklos nachsah. Die Krähe flog auf, als Abdullah in der Nähe der Säule vorbeiging, und flatterte krächzend davon.
    Die Händler räumten ihre Marktstände auf. Weintrauben, Orangen, Aprikosen und Pfirsiche wurden in die kühlen Gewölbe geschleppt. Manche Händler legten das Fleisch, das sie nicht verkauft hatten, in große Fässer voller Salzlake. Die großen, mit Olivenöl gefüllten Krüge wurden weggeschlossen. In den Käfigen gackerten die Hühner und stritten sich um Wasser und Körner, ehe sie hinter den dunklen Läden verschwanden. Ein Händler kam vorbei und verzehrte schmatzend die letzten Weintrauben, deren Kerne er vor sich auf den Boden spuckte. Am Abend des sechsten Tages holte al-Qasim zwei Ledereimer voll Wasser vom Brunnen, steckte die Stücke des nicht verkauften Salzfisches in einen Leinensack und begann die Bretter seines kleinen Verkaufsstandes im hintersten Winkel des Fischmarktes zu putzen. Eines nach dem anderen stellte er aufrecht gegen die Mauer zum Trocknen und wusch sich mit dem Rest des Wassers. Die leeren Eimer brachte er dem Wirt zurück, von dem er sie geliehen hatte, ließ Gesicht und Arme an der Abendsonne trocknen und aß langsam seinen Brei aus Hirse, Datteln, Lauchstücken und gehacktem, scharf gewürztem Lammfleisch; nachdem er den Napf mit dem letzten Stück Fladenbrot leergewischt hatte, goss er sich einen großen Becher Wein ein.
    »Allah wird mir vergeben«, knurrte er. »Das war eine harte Woche. Wenig Fisch und noch weniger Käufer.«
    Er leerte den Becher und blickte in den Sonnenuntergang. Den Ruf des Muezzins würde er später befolgen; eine Handvoll Männer und seine kleine Familie warteten auf ihn. Er blickte ruckhaft um sich, schlug seinen Burnus zur Seite und fischte einige Münzen aus dem Geldgürtel, den er um die Hüfte trug.
    Er bezahlte den Wirt, räumte seine trockenen Bretter weg und machte sich auf den Weg zu Eleilah und dem kleinen Ahmad. Am Vorabend des Jawmul-dschumuati, des stillen Freitags, leerten sich die Straßen und Gassen der Stadt. Al-Qasims Geldgürtel war prall und schwer, enthielt aber nur Scheidemünzen, wenige Drachmen und einen einzigen Silberdinar. Die Einnahmen dieser Woche, überlegte er, gehörten zur Hälfte dem Hausbesitzer und der städtischen Steuer. Die andere Hälfte war für das tägliche Leben und die Bezahlung der Fische gedacht, die von Kamelen oder Eseln aus den nächsten Hafenstädten hierher getragen wurden. Al-Qasims Familie lebte in einem kleinen Haus, das an einem Stück der alten Stadtmauer lehnte.
    Das Ende des Tages kündigte sich an. Die riesige rote Sonne versank in feurigen Gebirgen aus Wolken. Die Mauern, Türme und Kuppeln der Stadt färbten sich, die Gassen füllten sich mit Schatten. Je mehr sich al-Qasim dem Rand der Stadt näherte, desto mehr Öllichter brannten in Fenstern und Hauseingängen. Alle Kinder hatten die Gassen und Plätze verlassen; einsam plätscherte ein Brunnen. Al-Qasim trabte gedankenverloren mit klatschenden Sandalen weiter. Dann nahm er als Abkürzung eine Treppe, deren ausgetretene Steinstufen abwärts führten, zur Mauergasse, die hinter seinem Haus an einer umgestürzten Säule endete.
    Als er von der untersten Stufe sprang, kamen von rechts und links zwei dunkle Gestalten auf ihn zu. Er drehte den Kopf hin und her und riss die Arme hoch. Als er losrennen wollte, stolperte er über einen Fuß, der ihn am Knie traf. Er verlor den Halt und fiel zu Boden.
    »Nein! Hilfe! Was wollt ihr…?«, schrie er. Unsichtbare Hände stülpten einen schwarzen, stinkenden Sack über seinen Kopf. Sein Schrei endete in einem erstickten Gurgeln. Ein harter Schlag traf seine Schläfe. Während er um sich trat und mit den Armen seine Gegner zu treffen versuchte, spürte er eine Übelkeit, die seinen ganzen Körper erfasste. Eine Hand

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