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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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in einem anderen Stadtviertel.
    Im schützenden Schatten einer Galerie lief Suleiman dicht an einer Mauer entlang bis ans Ende der Straße. Wieder wechselte er auf eine Treppe, und schon drang ihm der unverkennbare Geruch in der die Nase.
    Vor dem Fischmarkt, abseits eines Viertels mit eng stehenden Häusern, hoben sich Baumkronen gegen den Himmel ab. Die Bäume wuchsen hinter einer Gartenmauer aus Lehmziegeln. Suleiman hielt sich im Schatten und ging bis zum Ende der Mauer. Wieder wartete er, spähte ins Halbdunkel und lauschte auf jeden Laut. Er bückte sich, verschwand hinter einigen Büschen und kam fünfzig Schritte weiter, in völliger Dunkelheit, wieder hervor. Ein Ast reckte sich über die Mauerkrone. Suleiman sprang in die Höhe, packte den Ast und zog sich daran empor. Er schwang die Beine halb herum, fasste den nächsthöheren Ast und tastete sich bis zum Stamm.
    Dann kletterte er gemächlich hinunter. Nun stand er im stillen Garten des Hauses, das Mariam mit ihrem Vater und einer Handvoll Diener bewohnte.
    Er holte tief Luft. Hinter den Zweigen sah er ein schwaches Licht. Dort warteten Mariam und ihre Erzieherin auf der Terrasse auf ihn. Er wollte losrennen, aber er zwang sich, langsame Schritte zu machen, bis er zwischen den Zierpflanzen und den Küchenkräutern in den Lichtkreis trat.
    Mariam, die am Tisch gesessen und gelesen hatte, sprang auf und eilte mit ausgebreiteten Armen auf ihn zu. Er legte seine Arme um ihre Schultern und spürte ihren schlanken, warmen Körper.
    »Hier bin ich, wie versprochen«, flüsterte er. »Jetzt haben wir eine halbe Nacht für uns.«
    Sie küssten sich, zärtlich und lange. Dann setzten sie sich auf die Kissen der gemauerten Bank und begannen leise zu reden. Von ihrer Liebe, von einem gemeinsamen Haus und von den Kindern, die getauft und im christlichen Glauben erzogen werden würden. Hinter einer stoffbespannten Stellwand saß Irene, die Erzieherin, und hörte das Flüstern der Verliebten.
     
    Sean sonnte sich auf dem Dach und lernte Arabisch. Währenddessen arbeitete Mara im Haus und kümmerte sich, zusammen mit einer jungen Dienerin, um Wäsche, Küche und Hausputz. Joshua war am frühen Morgen von dem schweigsamen Riesen abgeholt und zu Rabbi Cohen begleitet worden. Henri hatte Uthman von der Moschee abgeholt und schlenderte gemeinsam mit ihm durch das mittägliche Treiben der großen Stadt.
    »Immer wieder gibt es Stunden und sogar Tage«, sagte Henri und sah einem Vogelschwarm nach, der über den Dächern kreiste, »in denen ich zu glauben wage, dass wir endlich Ruhe finden.«
    Uthman lachte kurz, aber freundlich. Er blinzelte im Sonnenlicht und antwortete: »Du bist älter als ich, Henri. Du hast die Ruhe mehr verdient als ich.«
    »Aber wo soll ich sie finden? Wo kann ich sie finden?« Henri zuckte mit den Schultern. »Es liegt wohl doch ein Fluch auf uns Templern. Auch wenn es kaum noch Überlebende gibt.«
    »Die Kreuzzüge und großen Kämpfe sind vorüber«, sagte Uthman. »Genieße den Frieden.«
    »Bis zum nächsten nächtlichen Überfall«, bemerkte Henri leise und trat zur Seite, um drei Lastkamele vorbeizulassen. »Vielleicht gelingt es unseren Feinden beim nächsten Mal, das Haus zu stürmen.«
    Uthman schüttelte den Kopf.
    »Ich habe mit dem Eunuchen des Emirs gesprochen, dem Vorsteher der Stadtwachen. Seine Männer werden, besonders nachts, verstärkt die Augen offen halten. Ganz besonders in der Nähe meines Hauses, das hat er mir versprochen.«
    »Das beruhigt mich ein wenig.«
    Nach ein paar Schritten sagte Uthman: »Es gibt jemanden, der reich und einflussreich ist, der wahrscheinlich in Al Quds lebt, aber vielleicht auch außerhalb der Mauern. Er hasst Ungläubige und Männer wie mich, die mit Ungläubigen befreundet sind. Wenn es uns gelingt, diesen Mann zu finden, werden wir wieder ruhiger schlafen können.«
    »Wie sollen wir herausfinden, wer es ist?«
    Uthman zog den Kopf zwischen die Schultern und knurrte: »Dazu fällt mir nichts anderes ein, als abzuwarten.«
    »Mit geschärften Sinnen.« Henri lächelte mild. »Und ebensolchen Waffen.«
    Die beiden Gefährten lächelten sich zu und gingen ruhig weiter. Uthman wartete auf den nächsten Ruf des Muezzins, und Henri ertappte sich dabei, dass er in jedes Gesicht blickte und herauszufinden versuchte, wer voller Wut und Hass zurückstarrte.
     
    Am späten Nachmittag, nachdem sich die Moscheen wieder geleert hatten, kletterte Hasan al-Maqrizi über die Mauer neben dem Tor, lief über das

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