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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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Seite zu bleiben, wie Allah es zuließ.
    Er wich dem Stamm eines Granatapfelbaums aus und sagte vorsichtig: »Ich soll also etwas erfinden? Eine Verschwörung der Ungläubigen gegen uns? Es sind doch nur eine Handvoll Ungläubiger in der Stadt und vor den Mauern, dagegen Tausende und Abertausende Muslime, Effendi! Wer soll so etwas glauben?«
    Sie hatten das Ende des Gartens erreicht und setzten sich im Schatten auf eine steinerne Bank. Zwischen den Blumen eines steingefassten Vierecks hüpften tschilpende Sperlinge umher. Abu Lahab schüttelte heftig den Kopf.
    »Ich rechne nicht mit einem schnellen Erfolg in wenigen Tagen, o Abdullah!«, erklärte er nachsichtig. »Es mag lange Zeit dauern, aber ich glaube an ein kleines Königreich. An ein Emirat von Abu Lahab. Errichtet mit meinen Schwertern und meinen Dinaren.«
    »Du bist der Einzige, der ein solches Emirat haben will.«
    Bis zum heutigen Tag war Abdullah mit seinem Herrn sehr zufrieden gewesen, er glaubte, dass er ein guter Händler und der beste Schwertschmied war, den er kannte. Jetzt begann er ihn zu fürchten; Allah hatte sich offenbar entschlossen, Abu Lahabs Verstand zu verwirren. Für Abdullah waren nun er selbst und der Rechenkünstler Nadschib ben Sawaq die Einzigen, die das Schlimmste verhüten konnten. Um sich nicht noch mehr Traumfantasien anhören zu müssen, hob er die Hand und deutete auf das Haus.
    »Effendi! Wenn dir, wovor Allah in seiner Weisheit dich sicher beschützen wird, ernsthafte Unbill zustößt, wird dein Sohn dein herrliches Emirat fortführen?«
    »Er verfügt über alle Kenntnisse und Fähigkeiten, um mein Nachfolger zu werden. Was hast du herausgefunden?«
    Über Haus und Garten kreiste mit klatschendem Flügelschlag ein großer Taubenschwarm. Außerhalb des Gartens hatte Lahab einen großen Taubenturm bauen lassen. Er benutzte einen Teil des Taubenkots als Dünger für seinen prächtigen Garten und verkaufte Säcke um Säcke des getrockneten Kots für gutes Geld. Oft gab es gebratene, gefüllte Täubchen zum Abendmahl in seinem Harem.
    »Die Christin scheint in der Mitte der Stadt zu leben.«
    »Ihr Name?«
    »Dein Sohn ist bisher noch jedem seiner Verfolger entwischt. Er kennt jedes Loch in jeder Mauer der Stadt, Effendi«, sagte Abdullah. »Meine Späher sehen ihn, wenn er dein Haus verlässt und wieder betritt. Dann sehen sie ihn durch eine Gasse huschen, durch eine andere, über einen Platz. Und dann ist er verschwunden wie ein Dschinn.«
    »Du befehligst armlose Schwertkämpfer und blinde Beobachter!«, rief Abu Lahab erregt. »Al Quds ist nicht so groß wie die Wüste!«
    »Bedenke«, erwiderte Abdullah schroff, »dass ich ihn ausgebildet habe. Was er kann, hat er von mir gelernt – außer Lesen und Schreiben und seinen verderblichen Hang zu andersgläubigen Jungfrauen. Wenn er sich nicht finden lassen will, wird er zum unsichtbaren Schatten in der Finsternis.«
    Abu Lahab warf einen Stein nach einer Krähe, die auf einer Säule saß und ihn misstrauisch beäugte. Der Stein surrte eine Elle neben dem Vogel durch die Luft und traf einen Baumstamm.
    »Du hast Recht. Leider.«
    In erklärendem Tonfall begann Abdullah, der seinen Dolch gezogen hatte und sich mit der Spitze die Fingernägel säuberte: »Ich bezahle von deinen kargen Drachmen, o Herrscher der Schatztruhen, mich und elf Männer. Nunmehr nur neun; zwei hat Allah nun um sich versammelt. Drei Männer brauchen wir für Waffen, Essen, Nachtlager, Kleidung sowie für das Aufschnappen von Gerüchten und Informationen im Basar und an tausend anderen Stellen. Vier sorgen in deiner Schmiede für Ordnung und verhüten Diebstähle und anderes Übel.« Er lachte kurz und bitter auf und streckte Abu Lahab die offenen Handflächen entgegen. »Zwei scharfäugige Nachtfalken versuchen, den Spuren deines flinken Sohnes zu folgen – bisher vergeblich. Gib mehr Drachmen, und ich lasse ihn von einem Dutzend der besten Männer beobachten. Immerhin weiß ich, dass er gegenwärtig weder in seinem Zimmern ist noch eine deiner Dienerinnen bespringt.«
    »Tröstlich einerseits. Andererseits: Wo ist er?«
    »Das weiß nur Allah«, antwortete Abdullah.
    »Und was wirst du tun, wenn ich dich gnädig aus der Befragung entlasse?«
    »Ich werde ausschlafen und dann die Witwe des einen Assassinen und den Bruder des anderen – beide wissen noch von nichts – mit einer erfundenen Geschichte und dem Rest deiner Drachmen zu trösten versuchen.«
    »Es gibt keine Assassinen mehr. El-Aschraf hat

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