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Die geheimnisvollen Pergamente

Die geheimnisvollen Pergamente

Titel: Die geheimnisvollen Pergamente Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns Kneifel
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dass du von mir andere Befehle bekommen hast.«
    Hasan schien den Anführer von Abu Lahabs Wächtern nicht zu fürchten, obwohl er wusste, dass Abdullah mit harter Hand prügelte und unnachsichtig strafte, wenn er Grund dazu hatte. Er nickte und hielt Abdullah die offene Hand hin.
    »Wenn ich deine Befehle befolge und dir bald von Suleimans geheimnisvollen Wegen berichten soll – wie wäre es mit einem Teil der Bezahlung im Voraus, Vater der Mildtätigkeit?«
    »Meinetwegen.«
    Abdullah zog den Beutel hervor, den er an einer Schnur um den Hals trug, leerte ihn in seine Hand, suchte und legte zwei Drachmen auf den Tisch.
    »Noch einmal, Hasan! Er darf dich nicht sehen, nicht erkennen, nichts merken. Du musst herausfinden, welche Häuser er aufsucht und wer darin lebt.«
    »Ich sehe alles und vergesse nichts.«
    »Da geht es dir wie mir.« Der große, hagere Mann nickte schroff. »Lüg mich an, und ich lasse dir die Zunge abschneiden.«
    Abdullah sah mit stiller Belustigung, aber eiserner Miene zu, wie Hasan mit blitzschnellen Bewegungen die Münzen verschwinden ließ. Die Antwort verwunderte ihn nicht.
    »Weil ich stets die Wahrheit sage, werde ich meine hurtige Zunge bis an mein Lebensende behalten.«
    »Inshallah.«
    Abdullah stand auf, bezahlte beim Wirt und war nach einem Dutzend Schritten von der Dunkelheit verschluckt. Hasan al-Maqrizi blieb noch eine Weile sitzen, kratzte sich unter den Achseln und freute sich auf die nächsten Tage. Sie würden wenig Arbeit und viel aufregendes Vergnügen bringen.
    Die mondlose Nacht war sein Freund, und innerhalb der Mauern gab es nur wenige Winkel und Verstecke, die Suleiman nicht kannte. Länger als ein Dutzend Jahre hatte er, zusammen mit anderen Knaben, sich in Al Quds bewegt wie ein Fisch im Wasser. Er hatte gesehen, wie Häuser und Mauern niedergerissen und wieder aufgebaut wurden, er wusste, unter welchen Brücken Eingänge in verlassene Gewölbe führten, und wie man ungesehen durch Keller, Tunnels und trockene Wasserleitungen huschen konnte, ohne die Gassen, Straßen und Plätze benutzen zu müssen. Wenn er nicht wollte, dass man ihn sah, würde ihn wohl kaum jemand aufspüren können.
    Jetzt, in der zweiten Nachtstunde, durfte ihn niemand sehen, denn er war auf dem Weg zu Mariam.
    Mariam, die schönste aller Frauen. Mariam, die Christin. Sein Vater wusste, dass es sie gab, aber mehr hatte Suleiman nicht preisgegeben. Niemandem gegenüber! Er hütete alle Geheimnisse, die ihre Familie betrafen, tief in seinem Herzen. Und er wusste, dass ihn Abu Lahab beobachten ließ. Sogar von Abdullah ibn Aziz, einem seiner Lehrmeister, und von anderen Mannen. Aber bisher war er ihnen jedes Mal mühelos entkommen.
    Er ging ohne Eile durch eine Gasse, die einhundert Schritte vor dem Haus Abu Lahabs von einem Sandweg abzweigte. Jedes zweite oder dritte Fenster war dort erleuchtet, einige Haustüren waren weit geöffnet und gewährleisteten Einblick in das Leben dahinter. Suleiman wich einigen Passanten aus, die so spät noch unterwegs waren, und dachte an Mariam, an seine neuen Freunde und an mögliche Verfolger. Er vermied es, sich umzudrehen. Sie würden sich später ohnehin verraten.
    Einige Zeit danach erreichte er seinen Lieblingsplatz. Etliche dreistöckige Häuser waren mit gemauerten Bögen verbunden. Hier an der Ecke führte eine Treppe hinauf, dort drüben kannte er eine kleine Brücke, die einen trockenen Kanal überspannte. Suleiman entschied sich dagegen, schon an dieser Stelle die offenen Straßen zu verlassen, und ging weiter, bis zu einem Brunnen, der in der Mitte eines kleinen Platzes plätscherte. Ein großer Walnussbaum füllte fast den gesamten Raum zwischen den Häusern aus. Suleiman setzte sich auf den steinernen Brunnenrand und spähte in die Eingänge der schmalen Gassen, die in den Platz mündeten. Er spürte, dass er verfolgt wurde, aber er nahm keinen jener flüchtigen Schatten wahr. Aus einigen Häusern drang Musik in die warme Luft. Leises Trommeln, eine Flöte und einige Lautenakkorde.
    Suleiman stand auf und lief in eine der Gassen hinein. Er rannte eine Treppe hinunter und verschwand unter dem Bogen eines Gewölbes. Dort wartete er eine Zeit lang geduldig. Niemand war ihm gefolgt. Er tastete sich entlang einer feuchten, bröckligen Mauer bis zum Ende des Gewölbes, wo er einige Mäuse aufscheuchte. Dann erreichte er einen halb verfallenen Gang, ging hinein, schlüpfte in den dritten Quergang, stieg lautlos eine Treppe hinauf und befand sich plötzlich

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