Die Gehilfen des Terrors
ich
hörte, spuckt Lohmann Gift und Galle. Am liebsten würde er Zinse umbringen.
Doch der ist ihm überlegen in jeder Hinsicht. Tja, und nun dieses Kidnapping.
Lohmanns Frau — sie heißt Irene — ist verschwunden. Wurde entführt. Angeblich.
Aber ich habe eine ganz andere Vermutung. Und deshalb fahren wir jetzt zu ihm.“
Paul nickte. „Bin gespannt“,
sagte er müde.
Gabys Vater lächelte. Wie würde
Paul wohl reagieren, dachte er, wenn ihn etwas langweilt. Wahrscheinlich
schnarcht er dann. Aber ich bin mit ihm zufrieden. Er begreift alles sofort und
hat noch nie was vergessen.
Langsam drehte Paul jetzt den
Kopf nach rechts.
„Hier ist Nummer 81, Herr
Glockner. Gleich sind wir da, wenn ich Sie richtig verstanden habe.“
Gabys Vater nickte, lenkte den
Wagen in die geöffnete Einfahrt des Grundstücks Nr. 83 und hielt neben einem
Chrysler Cabriolet, das vor der Garage parkte. Der Wagen war schwarz, das
geschlossene Verdeck fast weiß — und überall war viel Chrom.
Sie stiegen aus. Der Kommissar
sah sich um. Lohmanns Bungalow war groß und luxuriös, aber ein bisschen
heruntergekommen. Das Dach hätte neue Ziegel gebraucht, die Mauern neuen
Anstrich, auch die Fensterrahmen. Und an der protzigen Eingangstür blätterte
braune Farbe ab oder zog Blasen wie köchelnder Kakao.
Lohmann öffnete nach dem ersten
Läuten. Er war Ende vierzig, hager und ziemlich groß, hatte linksgescheiteltes
schon ergrauendes Haar, das ihm etwas in die Stirn hing, und fischkalte Augen.
Sogar im grauen Licht des späten Nachmittags blitzte seine randlose Brille.
„Die Polizei, aha.“
Das Wohnzimmer war nicht
aufgeräumt. Im offnen Kamin lagen verkohlte Holzscheite. Lohmann bot Platz an.
Ein Baulöwe ohne Erfolg, dachte
Glockner. Mehr Schakal als Löwe. Einen Berg Schulden — und jetzt die angebliche
Entführung.
Oder bin ich zu misstrauisch?
Liegt tatsächlich ein Verbrechen vor? Lohmann ist ein skrupelloser Mistkerl.
Was ich vermute, passt zu ihm. Aber er könnte auch das Opfer sein.
„Erzählen Sie nochmal, Herr
Lohmann. Am Telefon ging mir das alles zu schnell. Außerdem waren Sie
aufgeregt.“
„Das bin ich noch.“ Er rutschte
im Sessel nach vorn, um sich dann weiter zurücklehnen zu können. „Und
erschöpft. Ich kann bald nicht mehr. Also — der Reihe nach: Als ich gestern
Mittag heimkam — so gegen 12.30 Uhr — war Irene nicht da. Das war ungewöhnlich.
Aber ich hatte kaum Zeit mich zu wundern, schon klingelte das Telefon. Ein Mann
war am Apparat. Leise Stimme — ohne besondere Merkmale, würde ich sagen. Er
sprach von sich in der Mehrzahl. Sie hätten meine Frau. Ihre Freilassung koste
900 000. Sie wüssten, dass ich das Geld besitze. Ich sollte es sofort abheben,
in eine Tasche packen und die — um 17.30 Uhr — in dem alten Schuppen am
Kelch-See abstellen. Spätestens heute Mittag wäre meine Frau dann wieder zu
Hause. Ich habe alles gemacht. Habe auch die Weisung befolgt, nicht die Polizei
einzuschalten. Als Irene auch am frühen Nachmittag noch nicht da war, habe ich
Sie angerufen.“
„Sie hätten uns schon gestern
verständigen müssen.“
„Ich wollte Irene nicht
gefährden. Der Kidnapper hat mich ausdrücklich gewarnt. Keinen Kontakt mit der
Polizei.“
„Gab es hier irgendwelche
Spuren? Sind der oder die Entführer gewaltsam eingedrungen?“
„Keinerlei Spuren. Nichts.“
Lohmanns Blick huschte zwischen Glockner und Paul hin und her. Das Gesicht
spiegelte kein Gefühl, blieb maskenhaft starr und wie unbeteiligt. „Auch nicht
mehr Unordnung als sonst. Irene ist nicht gern Hausfrau und mir ist es egal,
wie’s hier aussieht. Wir tendieren ( neigen ) mehr nach draußen. Da sind
wir uns einig. Und Kinder — denen man Ordnung beibringen müsste — haben wir
nicht. Ich vermute, der oder die Entführer haben an der Tür geklingelt. Irene
hat geöffnet und — wurde überwältigt. Wie Sie wohl bemerkt haben, kann man den
Eingangsbereich von der Straße aus nicht einsehen.“
Glockner sah den Baulöwen
nachdenklich an, ein Blick ohne Sympathie, aber auch ohne Feindseligkeit.
„Ich mache Ihnen nichts vor,
Herr Lohmann: Dieser Fall hat einen besonderen Beigeschmack. Denn über Sie sind
Gerüchte im Umlauf. Gerüchte, die nach meiner Kenntnis ziemlich genau das
treffen, was Fakt ist. Tatsache ist nämlich: Ihre Firma ist nahezu pleite. Sie
haben Steuerschulden in Höhe einer Million. Die 900 000 — Ihr letztes Geld —
gehören Ihnen nicht mehr. Aber dieses Geld haben jetzt die
Weitere Kostenlose Bücher