Die Geisel
hinzu.
Ihre Worte drehten Corso den Magen um, ließen einen bitteren Geschmack in seinem Mund zurück, und einen Augenblick lang wurde ihm schwindelig. Er stützte sich auf die Stoßstange des Pick-ups und schüttelte den Kopf, um wieder klar sehen zu können.
»Sieht aus, als würde ihm gleich schlecht werden«, bemerkte Kehoe.
»Den lass mal meine Sorge sein«, erwiderte Driver.
»Wär alles verdammt viel einfacher, wenn wir ihn plattmachen und zu dem andern dahinten stecken würden.«
Driver nickte zu dem Gebäude auf der anderen Straßenseite hinüber, wo das ›Geschlossen‹-Schild gerade in ›Geöffnet‹ umgedreht worden war. »Also los«, sagte er. »Park den Wagen hinten. Wir gehen zu Fuß außen rum.«
Corso zögerte. »Warum lasst ihr mich nicht einfach …«
»Los jetzt«, schnauzte Driver ihn an. »Ich sag's nicht noch mal.«
Erst als Corso die Scheibenwischer betätigt hatte, fiel ihm die Urwald-Szene unter dem Schriftzug auf der Vorderseite des Gebäudes auf. Ein Typ in einem Daktari-Outfit zielte mit einem Gewehr auf einen angreifenden Elefanten. Aus der Mündung spuckende Flammen. Der Elefant krümmte sich unter dem Beschuss. Alles sehr authentisch.
Corso legte den Gang ein und ließ den Wagen aus der Waschbox kriechen. Der Morgen im ›Valley of the Sun‹ hatte seinen Höhepunkt erreicht. In einem ununterbrochenen Strom sauste der Verkehr auf beiden Straßenseiten vorbei. Lastwagen mit und ohne Anhänger, Sattelschlepper, Gespanne mit Pferdeanhängern und Hondas, alles rauschte vorbei. Mehrere Minuten angespannten Wartens verstrichen, bis Corso den Pick-up mit federnden Stoßdämpfern über beide Fahrspuren und auf den gekiesten Parkplatz dahinter schaukeln lassen konnte. Kleine Steinchen knallten unter den Reifen, als Corso an der Vorderseite des Gebäudes entlangrollte, dann zur Rückseite fuhr und neben einem grünen Cadillac STS an einem Ende der Laderampe anhielt.
Corso versuchte, etwas Zeit zu gewinnen, doch Driver fiel nicht darauf herein, drängte ihn mit einer Kopfbewegung auszusteigen und folgte ihm auf dem Fuß, während sie um den Laden herum zur Vorderseite gingen. Die Sonne blendete und wärmte ihre Wangen.
»Wenn er nach einem Ausweis fragt, geben Sie ihm Ihren, Frank.«
»Ich bin vorbestraft.«
Ein bitteres Lachen entschlüpfte Kehoe. »Mann, bist du aber 'n schwerer Junge.«
»Geben Sie ihm einfach den Ausweis, Frank. Und wenn er Sie was fragt, antworten Sie.«
»Und wenn …«, setzte Corso an.
»Erfinden Sie einfach was, Frank. Schließlich verdienen Sie sich mit so was Ihren Lebensunterhalt.« Driver tätschelte ihm den Arm. »Kann nicht schiefgehen, Kumpel. Eins fügt sich zum anderen. Ist alles an Ort und Stelle.«
Ein rascher Blick zu Kehoe hinüber sagte Corso, dass dieser ebenfalls nicht die Bohne verstand, doch da stiegen sie bereits die Stufen zum Eingang hinauf und ließen deshalb ihre unausgesprochenen Fragen entfliehen wie zufällige Passanten.
Ein krächzendes Summen ertönte, als sie die Tür aufzogen. Hinter dem Tresen richtete sich ein großer, rothaariger Mann in schwarzem T-Shirt auf und musterte sie mit unstetem Blick. Sein straff zurückgekämmtes Haar war oben dünn geworden, so dass das Licht der Deckenbeleuchtung seine sommersprossige Kopfhaut glänzen ließ. Er machte ein Gesicht, als hätte er Zahnschmerzen.
Irgendetwas an ihrem Verhalten machte ihn augenblicklich nervös. Corso verlangsamte seinen Schritt, doch Driver stieß ihn von hinten an und schob ihn vorwärts. Kehoe schwenkte nach rechts aus, zu den Vitrinen mit den Handfeuerwaffen. Der Mann straffte die Schultern.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte er.
»Ich dachte, ich …«, stammelte Corso. »Ich dachte, ich kaufe meinem Bruder eine Waffe zum Geburtstag.«
Auf dem schwarzen T-Shirt war ein Logo. Dasselbe Dschungelbild wie draußen. ›Crosshairs‹ stand darüber, darunter ›Waffen und Munition‹. Der Rothaarige hakte seinen Daumen in den Gürtel ein, so dass seine Finger nur noch wenige Zentimeter von dem Griff seiner Automatik im Holster entfernt waren. »An was für eine Waffe hatten Sie denn gedacht?«
»Oh … äh, ich weiß nicht … Vielleicht …«
»Die hier«, rief Kehoe von der anderen Seite herüber.
Kehoe hörte nicht auf, an das Glas der Vitrine zu tippen, als der Mann langsam um den Raum herumging und dabei den Tresen zwischen sich und den drei Männern hielt, die Hand immer noch dicht an der Waffe. Irgendwo auf dem Weg musste er einen Alarmknopf
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