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Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
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»Was ist mit der Schwuchtel hier?«, fragte er. »So wie ich das seh, brauchen wir den Arsch nich' mehr.«
    »Ich brauche ihn noch«, entgegnete Driver schnell. »Ich habe noch was zu erledigen, und er soll die Geschichte später erzählen.«
    Kehoe dachte darüber nach. »Was hast'n immer mit deinem Erzählen, Captainman?«, wollte er wissen. »Glaubst du, du wärst so 'ne Art Held, wo die Leute was drüber lesen woll'n?«
    »Jeder will doch seine Geschichte erzählen«, meinte Driver.
    »Ich nich'«, sagte Kehoe. »Wenn andere über mich reden wollen, wenn ich tot bin …« Er winkte ab. »Scheiß drauf. Lass sie doch reden, was sie wollen.«
    »Verschwinden wir hier«, sagte Driver.
    Corso setzte sich in Bewegung. Kehoe brachte ihn mit der flachen Hand vor der Brust zum Stehen. Corso schaute hinunter. Die Hand war so riesig, dass sie zu einem wesentlich größeren Mann zu gehören schien. »Fürs Erste kommst du mit«, sagte Kehoe. »Aber beim kleinsten Zucken … beim kleinsten Furz … wenn du irgendwas tust, was mich nervös macht« – er hielt inne, um die Wirkung seiner Worte zu unterstreichen, »dann blas ich dir den Arsch weg. Verstehst du? Geschichte hin oder her. Captainman hin oder her. Wenn du irgendwas anderes machst, als was wir dir sagen, bist du tot.«
    Die Straßenlampen zischten. Corso zeigte mit einem Nicken, dass er verstanden hatte.
    Kehoe drehte sich um und ging davon. Corso folgte ihm, Driver bildete die Nachhut.
    Der Pick-up sah ziemlich mitgenommen aus. Ein alter Chevy aus den frühen Siebzigern. Sämtliche Radkappen fehlten. Der einst blaue Lack war einer stumpfen, seidigen Patina gewichen. Ein großer Camping-Auflieger. Ein Caveman-Camper, dessen freundliches Neandertaler-Logo entsetzt auf das Trio vor seiner Hintertür herabblickte.
    Driver klopfte Corso auf die Schulter. »Haben Sie einen Führerschein, Frank?«
    Corso bejahte.
    »Dann mal immer schön sachte.«

18
    Der Morgen flackerte auf wie eine Flamme. Ein einziger Funken in der Dunkelheit und dann, als hätte ihn der Mut verlassen, war er plötzlich wieder verschwunden, ehe er in Gesellschaft von zwei, drei, vier Gefährten zurückkehrte, bis die Funken schließlich zu einem ausgewachsenen Feuer heranwuchsen und die Silhouette der San Cristobal Mountains im Osten Wache stehen und wild und verrückt grinsen ließen wie eine schartige Kürbislaterne.
    Corso kniff die Augen zusammen, griff nach dem Rückspiegel und drehte ihn nach unten. Seit einer Stunde hatte niemand etwas gesagt. Der Innenraum des Wagens roch nach Männern und Motoröl.
    Das Glitzern des Sonnenscheins riss ihn aus seinem Wachtraum. In seiner Fantasie hatte er in dem zerbeulten Chevy-Pick-up seines Vaters gesessen und war an einem heißen Sommertag die Route 74 entlanggefahren, die Fenster heruntergekurbelt, so dass die dicke Luft ins Auto blies wie ein überhitzter Hurrikan. Er hatte die Hände seines Vaters am Lenkrad betrachtet. Diese Hände – gebrochen und entstellt von den Nordkoreanern, bis sie aussahen wie alte Baumwurzeln, als wären seine echten Hände irgendwo in jenem Kriegsgefangenenlager zurückgeblieben, begraben in demselben kalten Grab wie alles, was er einst an Menschlichkeit und Zärtlichkeit besessen haben mochte. Eine Träne rollte über Corsos Wange. Er wischte sie mit dem Ärmel weg und warf einen Blick nach rechts, wo Driver und Kehoe schliefen.
    Der Anblick und die Geräusche der Freiheit hatten Driver und Kehoe dermaßen in ihren Bann geschlagen, dass sie in ehrfürchtiges Staunen verfallen waren, als sie im zunehmenden Licht westwärts durch die Wüste fuhren. Die Sonne im Rücken und Corsos Handbewegung schienen sie aus ihrer Erstarrung zu reißen.
    »Wo zum Teufel sind wir?«, fragte Kehoe.
    »Etwa vierzig Meilen östlich von Phoenix«, antwortete Corso.
    Driver reckte sich. »Wie sieht's mit Benzin aus?«
    »Noch gut ein Viertel voll.«
    »Ich hab 'nen Bärenhunger«, verkündete Kehoe.
    Driver streckte den Arm über die Rückenlehne und tippte Corso mit dem Lauf der Automatik ans Ohr. »Wie viel Geld haben Sie dabei?«
    Corso überschlug es kurz. »Nur ein paar Dollar«, sagte er. »Aber ich hab 'ne ganze Latte Plastik dabei.«
    Kehoe rollte den Kopf von einer Seite zur anderen. »Gut. Dann lasst uns irgendwo anhalten und …«
    »Kein Plastik«, unterbrach ihn Driver. »Wenn wir anfangen, mit Karten zu bezahlen, haben die uns im Handumdrehen geschnappt. Wir müssen alles mit Bargeld erledigen.«
    »Das wir nich' haben«, gab

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