Die Geisel
dem mittleren Platz, das T-Shirt fest um seine Hand gewickelt. Während Driver hineinging und für sie zwei aneinander angrenzende Räume buchte, blieben Corso und Kehoe in der Fahrerkabine des Pick-ups sitzen und beobachteten die Angestellten des Parkservices und lauschten ihrem Geplauder, während sie hin und her eilten.
Bevor sie die Zimmer bezogen hatten, war Driver noch in ein Einkaufszentrum gegangen, das in derselben Straße lag. Eine halbe Stunde später war er mit zwei schwarzen Nike-Sporttaschen, Lebensmitteln, Schmerztabletten und Verbandszeug zurückgekehrt. Nachdem er Corsos Wunde sorgfältig gereinigt hatte, hatte er die verletzte Hand fachmännisch bandagiert.
In Drivers Abwesenheit war Kehoe, der das eine Zimmer sofort für sich beansprucht hatte, am Telefon zugange gewesen. Die Nutte war etwa fünf Minuten nach Driver eingetroffen. Als Corso aufgehört hatte, wegen Drivers Behandlung zu jammern und zu stöhnen, sickerten allmählich die feuchten Laute fleischlicher Geschäftigkeit aus dem Nebenraum ins Zimmer.
»Falls Kehoe sich jemals verausgabt, dann können Sie der Nächste sein, wenn Sie wollen.«
Corso schüttelte den Kopf. »Ist nicht mein Fall.«
»Falls Sie Angst haben, sich was einzufangen …«
»Das natürlich auch … Aber das ist es nicht.«
»Ja«, meinte Driver nachdenklich. »Mein Fall ist das auch nicht.«
»Ich hab das früher ein paarmal gemacht, als Junge«, sagte Corso. »Kam mir einfach nicht richtig vor. Als würde ich Geld aus dem Opferstock klauen oder irgend so was echt Mieses. Ich bin einfach nicht der Typ dafür.«
»Ich hab's nie probiert«, erwiderte Driver. »All diese Navy-Städte und Landgänge, und ich konnte mich irgendwie nie dazu durchringen … Sie wissen schon.«
»Ist wahrscheinlich auch besser so.«
»Ich hab mir immer vorgestellt, was meine Mutter wohl denken würde.«
Corso warf Driver aus dem Augenwinkel einen raschen Blick zu, suchte nach Anzeichen für Ironie bei einem Mann, der gerade am Tod unzähliger Menschen beteiligt gewesen war und sich trotzdem Sorgen machte, was seine Mutter wohl denken mochte, wenn er 's sich besorgen ließ. Falls er es ironisch meinte, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.
Im Fernsehen rollte eine Laufschrift über das Bild, die eine offizielle Bekanntmachung der Polizei ankündigte. In der Annahme, es ginge um sie, nahm Corso die Fernbedienung auf und stellte das Gerät lauter. Dem war jedoch nicht so. Schnitt zu einer Pressekonferenz nach Shep in Texas. Harry Delano Gibbs und seine achtzehnjährige Freundin Heidi Anne Spearbeck, beide des mehrfachen Mordes verdächtig, waren im Norden Nevadas festgenommen worden und warteten nun auf die Ergebnisse einer Auslieferungsanhörung, die für den nächsten Morgen angesetzt war. Anscheinend war Gibbs, nachdem Heidis Vater Sheldon seinen Heiratsantrag mit vorgehaltener Waffe abgewiesen hatte, einige Stunden später zurückgekehrt, um den alten Herrn mit einer einzigen Kugel in den Kopf zu erledigen und dann mit seiner Tochter durchzubrennen.
Eine Woche war verstrichen, bis ein Düngemittelhändler, der kurz vorbeischauen wollte, Sheldons verwesten Leichnam gefunden hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten Gibbs und Spearbeck bereits eine breite Schneise des Verbrechens und Tötens quer durch den Südwesten gezogen. Hatten einen Lebensmittelhändler und seine Frau ermordet, wie die Behörden vermuteten, wegen nicht mehr als fünfundsechzig Dollar. Und dann Texas Ranger Wade Ott Rufin umgebracht, als er versucht hatte, sie in einem Motel in Vici, Oklahoma, festzunehmen. Hatten mehr als siebzig Kunden als Geiseln gehalten, während sie den Pig and Pancake Truck Stop in Guymon im hintersten Oklahoma ausraubten. Zusätzlich zu diesen bestätigten Gewalttaten wurde das Paar jetzt noch eines weiteren halben Dutzends ähnlich schwerer Verbrechen verdächtigt.
Sheriff Mace Waler aus Harris County in Texas wollte, dass jedermann erfuhr, dass man wieder sicher vor die Tür treten konnte, da das Paar nun hinter Schloss und Riegel gebracht worden sei, das Recht gesiegt habe und wieder Frieden im Lande herrsche.
»Herzerwärmend«, meinte Corso.
Driver zeigte auf den Fernseher. Die Bildunterschrift besagte: Musket, Arizona. Meza-Azul-Vollzugsanstalt. Driver griff sich die Fernbedienung vom Tisch und stellte den Ton noch lauter. Die neue Bildunterschrift identifizierte den Mann im braunen Anzug als einen gewissen Dallin Asuega, Angestellter der Randall Corporation. Während
Weitere Kostenlose Bücher