Die Geisel
ging überhaupt nicht um was Medizinisches. Es war ein Termin beim Psychologen.«
»Wirklich?«
»Er hat dissoziatives Verhalten gezeigt.«
»Wie sieht das aus?«
»Kontrollverlust. Wusste nicht mehr, wer oder wo er war. Hat angefangen, lautstark Selbstgespräche zu führen.« Er tippte mit dem Zeigefinger auf den roten Ordner. »Er war im Begriff, verrückt zu werden. Deshalb haben sie ihn zum Seelenklempner geschickt. Die hatten Angst, er dreht durch.«
»Und niemand hat das, außer uns?«
»Keiner.«
»Und wir können das beweisen?«
»Auf jeden Fall.«
»Nur weil ich auf gar keinen Fall damit auflaufen will, Marty.«
»Wir haben alles. Den ganzen Papierkram. Einfach alles.«
»Und die Quelle?«
»Die Quelle hat genug Geld bekommen, um zu verschwinden. Ich habe für das hier und für das Video fast das ganze Herbstbudget verbraten.«
Sie zog die Augenbrauen hoch.
»Keine Sorge. Wir sind im Moment verdammt heiß.« Das Augenzwinkern kehrte in sein Gesicht zurück. »Hast du die Quoten gehört?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Gestern Abend haben wir siebzehn Prozent geschafft. Das dritthöchste Ergebnis des Jahres. Nur der Super Bowl und das Finale von Survivor hatten mehr. Die werden mehr Geld für uns auftreiben, glaub mir.«
»Das erklärt die Anrufe, die ich schon den ganzen Morgen vom Sender bekomme. Von Leuten, die ich schon seit einem Monat an die Strippe zu kriegen versuche.«
»Wir sind wieder da«, verkündete Marty. »Ich frag mal, ob wir morgen Abend eine Sondersendung bekommen.«
»Glaubst du, die lassen sich darauf ein?«
»Die werden sich vor Begeisterung in die Hose machen.«
»Wir könnten einiges von dem Gefängnismaterial wiederverwenden.«
»Plus das, was wir von der Pressekonferenz heute Nachmittag bekommen.«
Marty eilte nach vorn, ließ sich auf den Fahrersitz gleiten und startete den Motor.
»Bringen wir das unter Dach und Fach«, sagte er.
Irgendwie gelang es ihr nicht, die Weihnachtsmusik aus ihrem Kopf zu vertreiben.
23
Elias Romero war spät dran und äußerst erregt. Als er nach Hause gefahren war, um sich schnell umzuziehen, war er auf Iris Cruz getroffen, die in ihrem roten Toyota Camry saß … schräg gegenüber von seiner Einfahrt … in voller Lebensgröße, so dass alle Welt sie sehen konnte. Mit zitternden Händen und einem Pulsschlag, der ihm in den Ohren dröhnte, hatte er das Gaspedal durchgetreten und war bis zum Ende der Straße geschossen und rechts abgebogen.
Iris hatte sich einigermaßen diskret einen halben Block hinter ihm gehalten, während sie den ganzen Linda Vista Boulevard entlangfuhren, bis ganz nach draußen, bis weit hinter die letzten Häuser, dorthin, wo man Straßen und Bürgersteige angelegt hatte, nur für den Fall, dass irgendwann in ferner Zukunft hier mal Häuser gebaut werden sollten. Hier gab es nichts außer Wüste und Straßen. Es sah ein bisschen gruselig aus, fast wie in einem Science-Fiction-Film, als hätten gigantische Ameisen alles aufgefressen und seien dann weitergezogen.
Als er das Ende der Sackgasse erreicht hatte, ließ Elias Romero seinen Lincoln in einem weiten Bogen herumschwingen und hielt an, die Motorhaube in die Richtung gedreht, aus der er gekommen war. Iris hielt neben ihm. Ihre Fenster glitten simultan herunter.
»Was zum Teufel ist los mit dir?«, fuhr Romero sie an. »Du kommst zu mir nach Hause? Du …«
Sie fiel ihm ins Wort. »Ich muss mit dir reden.«
»Das hätten wir doch auch woanders machen können. Das ist doch kein Grund, zu mir nach Hause zu kommen.«
Iris kniff die Augen zusammen. Wut und Enttäuschung stiegen wie geschmolzenes Metall in ihr empor. »Du hast wohl Angst, dass deine dürre Frau es rausfindet, was? Hast wohl Angst, dass sie rausfindet, dass du in meinem Schlafzimmer die Hosen runtergelassen hast.«
»Jetzt mach mal halblang … Komm mir nicht mit so was. Was wir getan haben, ist etwas zwischen uns. Da waren wir uns einig.«
»Wir waren uns einig darüber, dass du diese Zicke verlässt und wir dann zusammen sind.« Als er nichts darauf antwortete, bohrte sie nach: »Stimmt doch, oder?«
Romero wollte schon losbrüllen, doch er besann sich eines Besseren. Er senkte die Stimme. Fing an, so zu reden, wie er es im Bett tat. »Hey«, beschwichtigte er. »Ich hab im Moment echt viel um die Ohren. Wenn das alles vorbei ist … Wenn alles wieder normal läuft …«
»Untersteh dich«, fuhr Iris ihn an. »Komm mir nicht mit diesem Scheißdreck, Elias Romero. Wage es ja nicht,
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