Die Geisel
dumpfen Laut auf die Straße fallen, nicht unähnlich dem einer Melone, die auf Beton aufschlägt. Dann rappelte sie sich auf, klopfte sich die Hände ab und sah auf Kehoe hinunter.
»Tut mir leid, das mit Ihrem Freund«, sagte sie.
Driver zuckte die Achseln. »Cutter ist gestorben, wie er immer sterben wollte.«
»Harry hat immer gesagt, er würde im Bett sterben, mit seinen Stiefeln an den Füßen.«
Driver sah auf Harrys gekrümmten Leichnam hinunter. »Na ja, zumindest halb hat das wohl gestimmt.«
Driver wickelte die Überreste von Kehoes Kopf in ein sauberes Handtuch, knotete die Enden zusammen, damit es nicht verrutschte, dann nahm er den Leichnam auf die Arme und bugsierte ihn auf den Rücksitz des Mercedes, wo er ihn sorgfältig bettete, ehe er sich wieder aufrichtete.
»Was ist mit ihm?«, fragte Heidi und zeigte auf Harrys sterbliche Überreste.
Driver griff nach unten und hakte einen Finger durch eine von Harrys Gürtelschlaufen. Er riss ihn hoch, rollte ihn herum und ließ den Leichnam die Böschung hinunter in den überwucherten Straßengraben rollen, wo er im dichten Gestrüpp verschwand.
Als sie wieder aufsah, hielt Driver die schwarze Automatik in der rechten Hand.
»Oh bitte, Mister«, stammelte sie. »Ich kann … Oh Gott, ich …«
»Sieht aus, als wär deine Zeit noch nicht gekommen. Als ob du vielleicht doch noch mehr sein kannst als bloß Eiweiß. Als ob vielleicht doch noch irgendwas von dir von hier fortschreitet.«
»Sie können mich einfach hierlassen … äh … Wissen Sie, ich kenn ja noch nicht mal Ihren Namen.«
Er zielte mit der Waffe auf ihren Kopf. Sie machte ihre Hose nass, dann ihre Schuhe und dann die Straße.
Er ließ die Sicherung einschnappen und steckte die Waffe wieder in den Hosenbund. »Du kannst hierbleiben oder mitkommen. Ist mir egal«, sagte er. »Es steht mir nicht zu, mich in den Lauf des Stroms einzumischen.«
Sie saß schon im Wagen und hatte die Tür zugezogen, als Driver den Gang einlegte und den Hügel hinabrollte. Sie fuhren langsam, ohne Licht und mit ausgeschaltetem Radio. Fünfzehn Minuten dauerte es, bis die Straße allmählich weniger steil wurde. Bis ganz nach unten, wo sie am anderen Ende des Ortes zwei Kirchturmspitzen ausmachen konnten.
Driver hielt an. Er zeigte über den zerbeulten rechten Kotflügel hinweg.
»Siehst du das Tor da?«, fragte er.
»Ja«, antwortete sie.
»Mach es auf«, befahl er.
Sie brauchte zwei Anläufe, bis sie die Autotür mit der Schulter weit genug aufstemmen konnte, um sich hinauszuquetschen. Sobald sie das mit Stacheldraht gesäumte Maschendrahttor aufgezogen hatte, ließ Driver den Mercedes hindurchrollen. Sie sah ihm nach, wie er über die Wiese auf einen Teich am anderen Ende zufuhr.
So ein künstlich angelegter Fischteich. Eine gute Woche Arbeit für einen Bulldozer. Wahrscheinlich voller Barsche. Auf der ihr zugewandten Seite war ein kleiner hölzerner Steg mit einer aus Dachlatten zusammengezimmerten Leiter, die ins Wasser führte. Im Sommer konnte man von da aus ins Wasser springen. Am gegenüberliegenden Ende neigte sich ein schütteres Weidengehölz flehend übers Wasser.
Driver parkte den Mercedes dreißig Meter oberhalb des Fischteiches. Er fuhr die Fenster auf halbmast herunter, stellte den Motor ab und zog die Handbremse an. Aus dem Kofferraum holte er die beiden Nike-Taschen heraus und stellte sie hinter dem Wagen ab. Dann ging er zum Fahrersitz zurück, beugte sich hinein, löste die Handbremse und schlug die Tür zu, als der Wagen sich in Bewegung setzte. Langsam zuerst, dann immer schneller, als die Schwerkraft ihn in Richtung Meeresspiegel zog.
Der Mercedes traf klatschend auf der Wasseroberfläche auf. Er sank schnell, als das Wasser die Motorhaube erreichte und durch die Fenster hineinzurauschen begann. Dann kam er zum Stehen. Zu drei Vierteln im Teich versunken. Er war an irgendeinem Hindernis unter der Wasseroberfläche hängen geblieben, das Heck in der Luft. Driver fluchte. Er ging den Hügel hinauf und hob die Taschen auf. Als er sich gerade zum Gehen wenden wollte, setzte der Wagen sich erneut in Bewegung, langsamer jetzt, als wolle er die Aussicht so lange wie möglich genießen, bis er schließlich, nach einer Zeitspanne, die eine Ewigkeit zu dauern schien, ganz in das brackige Wasser eintauchte und verschwand.
»Und was machen wir jetzt?«, fragte sie, als sie das Tor wieder verriegelte.
»Jetzt gehen wir zu Fuß«, erwiderte er.
32
»Wollen Sie heute mal die Gastgeberin
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