Die Geisel
Und Sie gehen Ihrer Wege.«
»Warum fragen Sie nicht einfach, was die wollen?«
»Die hatten mich gestern den ganzen Tag in Gewahrsam. Das hier ist was Neues. Und wenn sie so viele Leute dafür einsetzen, kann das nichts Gutes bedeuten.«
»Die werden uns folgen.«
»Ja, das werden sie«, bestätigte Corso. »Eine Weile.« Er zögerte. »Wenn Sie auf den Freeway fahren und den Schildern Richtung L.A. folgen, werden sie sehr schnell das Interesse verlieren. Sechs Stunden durch die Wüste, das ist nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatten.«
»Und dann?«
»Dann haben Sie mich ganz für sich allein, den ganzen Weg nach L.A.«
»Und Sie werden meine Fragen beantworten? Mich nicht mit dem rotzigen Blödsinn abspeisen, den Sie sonst der Presse vorwerfen?«
Er hielt zwei Finger hoch: »Großes Pfadfinderehrenwort.«
Sie packte seine Finger: »Sie sind der unglaubwürdigste Pfadfinder der Welt.«
Er zuckte die Achseln. Entwand ihr seine Finger nicht. »Was halten Sie davon?«
Sie zögerte nicht. »Deal«, sagte sie und ließ seine Hand los.
Corso stand auf. »Wir treffen uns draußen.«
Melanie nahm einen letzten Schluck von ihrem Kaffee und stand ebenfalls auf. »Irgendwann werde ich Videoaufnahmen brauchen.«
»Wenn wir in L.A. sind. Ich verspreche es.«
»Ooohhh«, spöttelte sie. »Ich fasse es nicht. Der menschenscheue Herzensbrecher Frank Corso wird seine Seele bei American Manhunt entblößen. Wir werden die Zwanzigermarke knacken.«
»Sie wissen gar nicht, wie enttäuschend es für mich ist, dass mein Charme derart auf nackte Zahlen reduziert wird.«
Wieder lachte sie. »Irgendwie, Mr. Corso, glaube ich, dass Sie darüber hinwegkommen werden.«
Corso warf zwanzig Dollar für den Kellner auf den Tisch und öffnete die Tür zur Rechten.
Melanie ging dicht an ihm vorbei, so dicht, dass er ihr Parfüm riechen konnte. Etwas von Chanel. Da war er sich sicher. Vielleicht Coco.
Ohne sich noch einmal umzusehen, schlenderte sie durch den Speisesaal, wo alle Köpfe sich nach ihr umdrehten, und verschwand.
Corso wandte sich nach links und schlüpfte schnell durch die Tür zur Küche. Ein rotwangiger Mensch in makelloser weißer Kluft nickte ihm höflich zu und zeigte ihm den Weg. Corso erwiderte das Nicken und folgte dem Fingerzeig durch die geschäftige Küche, an den Kühlräumen vorbei hinaus zur Laderampe und von dort aus auf den Personalparkplatz hinter dem Hauptgebäude.
Als er sich der Stelle näherte, wo sie das Wohnmobil geparkt hatten, war die Vorstellung schon fast zu Ende. Melanie stand mit in die Hüften gestemmten Händen im Eingang. Corso konnte nicht hören, was gesagt wurde, doch die Körpersprache verriet ihm, dass die FBI-Agenten in den Entschuldigungsmodus geschaltet hatten. Von seinem Versteck hinter einer Palme aus sah Corso, wie sie um das Heck des Trailers herumgingen und verschwanden.
Er verlor keine Zeit. Kaum waren sie außer Sicht, rannte er mit großen Sätzen von Baum zu Baum, sauste zwischen Sträuchern und tropischen Blumen hindurch. Melanie sah ihn kommen und trat beiseite. Er sprang hinein und duckte sich. Im Entengang watschelte er unter den Fenstern entlang bis ganz nach hinten. Sie zog die Tür zu und schloss ab. Beide warteten.
Corso saß mit dem Rücken an die Badezimmertür gelehnt auf dem Fußboden. Melanie beugte sich vor und lugte aus dem Seitenfenster. »Sie sitzen in einem burgunderroten Ford, ungefähr vier Reihen weiter«, berichtete sie. »Einer spricht in seinen Jackenkragen.«
»Fahren wir«, entschied Corso.
Melanie ging nach vorn und schnallte sich auf dem Fahrersitz an.
»L.A. wir kommen«, verkündete sie.
33
Im Fernsehen zeigte ein Mann mit weißer Schürze den Zuschauern, wie man einen Truthahn in eine Art Miniaturofen steckte, der das Fett am Boden auffing, während der Truthahn gedreht wurde. »Zeit einstellen und fertig«, sagte er jedes Mal, wenn er etwas anderes in den Apparat steckte. Er feuerte das Publikum an, den Satz mitzubrüllen. Noch nie hatte sie jemanden gesehen, der so glücklich darüber war, etwas zu kochen. Der Typ hatte ein Grinsen aufgesetzt, als hätte er im Lotto gewonnen oder so was.
Heidi wünschte, sie könnte umschalten, vielleicht Zeichentrickfilme finden. Aber sie war sich nicht sicher, ob Wieimmererhieß zuschaute oder nicht. Er starrte zwar auf den Bildschirm, doch das bedeutete nicht unbedingt, dass der Kerl auch irgendwas davon mitbekam. Wie auch immer er hieß, er hatte seinen eigenen inneren
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