Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geisel

Die Geisel

Titel: Die Geisel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Ford
Vom Netzwerk:
liegen«, sagte er. »Ich bin gleich wieder da.«
    Er beeilte sich. Eilte zurück zur Vorderseite des Wagens, zog die Schlüssel ab, ging dann zum Kofferraum, wo er ein paar Handtücher zusammenraffte und sich anschickte, zu Kehoe zurückzukehren.
    Harry war ebenfalls ausgestiegen und stand auf der anderen Seite von Kehoe, die Hände hinter dem Rücken. »Hilf deiner Freundin«, wies Driver ihn an. Er kniete neben Kehoe nieder und schob ihm ein zusammengefaltetes Handtuch unter den Kopf. Harry hatte sich noch immer nicht von der Stelle gerührt.
    Driver nahm ein sauberes Handtuch und begann, das Blut abzutupfen, versuchte, so genug wegzuwischen, dass er die Wunde sehen konnte. Er kam nicht weit, bevor Harrys Stimme seine Konzentration zerriss. »Steh auf«, befahl der Junge.
    Driver sah auf und sah, dass Harry mit Kehoes glänzendem Colt auf seinen Kopf zielte. Wieder packte Kehoe ihn am Arm. Noch fester diesmal. Driver schaute hinunter in sein Auge, in der Erwartung, einen Mann zu sehen, der seine letzten Kraftreserven mobilisierte. Stattdessen erblickte er in diesem einen blauen Auge Cutter Kehoe in seiner ganzen mörderischen Wut. Fühlte, wie Kehoe seinen Arm losließ. Sah den Ausdruck in seinem Auge. Sah, wie Kehoes Hand zu seiner Tasche hinunterwanderte, und wusste in diesem Augenblick genau, was er zu tun hatte.
    Driver richtete sich auf und begann rückwärtszugehen, weg von Kehoe und Harry. Es funktionierte. Harry folgte ihm, trat über Kehoe hinweg. Hatte wohl kein großes Vertrauen in seine Schießkünste. Wollte aus kürzester Entfernung schießen.
    Heidi war jetzt auch aus dem Wagen gekrochen. Einen Arm hielt sie vor der Brust. Sie blickte zwischen Harry und Driver hin und her. »Liebling … willst du wirklich …«
    »Halt's Maul«, sagte er und spannte den Hahn. Ein Lächeln huschte über seine vollen Lippen. Er visierte Driver am Lauf der Waffe entlang an. » Adios , Schleimscheißer«, sagte er.
    Und dann hob Kehoe den Arm und tat, was er am besten konnte: Er stach zu, hart und tief, quer über die Rückseite von Harrys Bein, mit seinem grässlichen Ausbeinmesser. Die Klinge durchtrennte sowohl die Arterie als auch die Sehne, so dass Harry auf ein Knie fiel, wie eine Marionette, bei der ein Faden gerissen ist.
    Harry stieß einen hohen, schrillen Schrei aus, als er auf dem Knie herumfuhr, zielte und Kehoe mitten ins Gesicht schoss. Und dann noch einmal und ein drittes Mal, bevor er seitlich auf die Straße kippte und sich vor Schmerz vor- und zurückwarf.
    Driver ging um das Heck des Autos herum, hielt den Kofferraum zwischen sich und Harry. Er sah, wie Heidi um den Kühler herumeilte und an Harrys Seite niederkniete. Der Blutstrom, der aus dem Bein des Jungen hervorquoll, sagte ihr alles, was sie wissen musste. »Oh Baby«, stammelte sie. »Du bist echt schlimm verletzt. Wir müssen das Blut stillen … Oh Baby …«
    Sie hob seinen Kopf an und legte ihn in ihren Schoß. Driver folgte ihr um den Wagen herum. Sie streichelte Harrys Haar, als Driver nach unten griff und ihm die Waffe aus den Fingern wand. Er wog sie einen Augenblick in der Hand, dann schleuderte er sie, so weit er konnte, in das öde Gelände. Als er wieder zu Boden schaute, war Harry kreidebleich geworden, sah in Heidis große blaue Augen und formte mit den Lippen stumme Worte.
    »Du verblutest, Junge. Wenn du deinem Mädchen noch irgendwas sagen willst, dann wäre jetzt der richtige Augenblick dafür«, sagte Driver.
    Über ihren Köpfen waren die Wolken in Bewegung, dunkel und scharf voneinander abgegrenzt zogen sie wie Zirkuselefanten im Gänsemarsch über den Nachthimmel westwärts. Im Norden blinkten die Lichter eines kleinen Ortes von der Talsohle herauf.
    Harry starb ohne ein letztes Wort. Seine Unterlippe zitterte, als er versuchte, etwas zu sagen, dann war er tot; er lag auf der Straße, den Kopf in Heidis ausladendem Schoß, das Haar sauber und ordentlich frisiert.
    »Er hat kein Wort gesagt.« Heidis Miene verdüsterte sich. »Nach allem, was wir durchgemacht haben, hat dieser Scheißkerl nicht ein einziges Wort zu mir gesagt. Ich kann's nicht fassen. Nicht ein einziges Wort.«
    »Ich glaube, die meisten Leute sterben, ohne noch was zu sagen«, erwiderte Driver. »Ich hatte schon immer den Verdacht, dass die ganzen ›berühmten letzten Worten‹ nur im Nachhinein von anderen erfunden worden sind. Damit das Ganze bedeutsamer aussieht, als es in Wirklichkeit war.«
    Sie schob sich zurück und ließ Harrys Kopf mit einem

Weitere Kostenlose Bücher