Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
Kleine, sprich frei heraus. Du kommst vom Schwarzen See?«
Die Schwarzhaarige nickte. Sie hatte sich jetzt etwas gefasst und konnte endlich ihren Namen nennen.
»Ich bin Danija vom Schwarzen See, die Tochter von Katica, der Hebamme. Und ich hab alles gesehen. Ich …«
Danija begann zu erzählen. Manchmal brach dabei ihre Stimme, manchmal weinte sie, manchmal übermannte sie die Macht der Erinnerungen, und sie schlug die Hände vors Gesicht. Aber sie schonte weder sich selbst noch den Fürsten. Danija schilderte jede grausige Einzelheit.
»Zum Schluss haben sie die Leichen in den See geworfen und den Wald in Brand gesteckt«, beendete sie schließlich ihre Anschuldigungen. »Und ich bin dann fortgelaufen, fast hätte mich das Feuer eingeholt. Aber die Gö … aber Gott der Allmächtige wollte wohl, dass ich durchkomme bis zur Burg und Zeugnis ablege vor Euch, Herr … Herr Fürst. Das Pferd ist nicht gestohlen. Es gehört einer Freundin, sie hätte es mir geliehen, wenn …«
»… wenn sie nicht tot wäre?«, fragte Jaromar heiser.
Danija schüttelte den Kopf. »Nein. Sie ist mit ihrem Mann auf Reisen. Aber sie … ich glaube, es ging letztlich um sie.«
»Darf ich jetzt vielleicht auch etwas sagen zu diesen ungeheuerlichen Anschuldigungen?«, unterbrach sie Vaclav. Er hatte sich nach Danijas plötzlichem Auftauchen endlich gefasst. »Ihr wollt dieser kleinen Hexe doch wohl nicht glauben? Sie hat selbst gesagt, sie ist die Tochter der Priesterin.«
Jaromar fixierte ihn streng, in seinem Blick lag Abscheu. »Nun, hier steht ein Wort gegen das andere«, sagte er. »Und natürlich hat das Eure mehr Gewicht.«
Danija sah ungläubig zu ihrem Fürsten auf.
»Aber wenn das alles erlogen ist, Herr Vaclav, warum sehe ich da Blut an Eurer Tunika?« Der Fürst sprach weiter, und seine Stimme klang erbost. »Und die Wappenröcke Eurer Ritter sind noch feucht, als hätte man sie ausgewaschen. Wenn man genauer hinsieht, finden sich sicher auch noch Blutspuren. Könnt Ihr das erklären, Herr Vaclav? Wo Ihr doch nur gebannt am Rande eines Hains standet und den Erzählungen der Frauen lauschtet, bis die sich dann entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu setzen und vorher noch einen Hain anzuzünden, der ihnen bislang heilig war? Was sind das für Kratzspuren in Eurem Gesicht, Herr Predrag?«
Der Ritter verdeckte die Kratzer hastig mit einer Hand und setzte zu einer Erklärung an, aber Vaclav kam ihm zuvor.
»Das reicht nicht für eine Anklage, mein Fürst!«, rief er und warf Danija einen herablassenden Blick zu. »Wir können alles erklären. Herr Predrag hat versucht, das Feuer zu löschen, und geriet dabei in eine Dornenhecke. Und ich schwöre bei meiner Ehre als Ritter, dass die Weiber jedes Wort gesagt haben, das wir Euch hier wiederholt haben und …«
»Das hättet Ihr selbst wohl auch, wenn man Euch gefoltert und vergewaltigt hätte!«, griff ihn Danija an. Sie hatte ihre Furcht nun verloren, sie spürte nur noch Hass.
Jaromar hob die Hand. »Genug jetzt!«, befahl er scharf. »Erspart mir weitere Lügen und Ausflüchte, Herr Vaclav. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was in diesem Wald geschehen ist. Wenngleich ein Bauernmädchen natürlich nicht Klage erheben kann gegen einen Ritter.« Er sah Danija bedauernd an. »Aber ich werde dennoch … man muss dennoch etwas tun, um dieses Dorf zu befrieden. Es würde mich nicht wundern, wenn der Ortsvorsteher auch noch käme und Beschuldigungen vorbrächte, denen ich nicht nachgehen kann – um Eurer Ehre als Ritter willen, Herr Vaclav!«
Er spie dem Ritter die letzten Worte ins Gesicht. Dann wandte er sich dem Priester zu, der den Auseinandersetzungen schweigend gelauscht hatte.
»Vater Tomaz, man soll Euch morgen zum Schwarzen See geleiten, Euch und die junge Danija. Ihr werdet in meinem Namen Totenmessen lesen für jede einzelne dieser jungen Mädchen und Frauen sowie für die Hebamme. Und … sagt den Siedlern, als Ausgleich für ihren Verlust …«, er räusperte sich, »… verzichte ich auf die Abgaben im nächsten Herbst.«
Durch die Ritterschaft im Saal ging ein Raunen. Das war ein fürstliches Wergeld für sieben ermordete Bauernmädchen und eine Hebamme. Auch wenn es ihre Angehörigen sicher nicht trösten würde.
»Und Ihr, Herr Vaclav …«, Jaromar sah den Ritter mit kaltem Blick an, »… überlegt Euch schon einmal, wie Ihr mich entschädigen könnt für diesen Verlust. Wenn Ihr schon sonst nicht vorhabt, Buße zu tun.«
Vaclav holte tief Luft. Dies
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