Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)
reiten lassen. Die Stute hatte einen so weichen Gang, dass man sich dabei fühlte wie ein Kind in der Wiege, und sie ließ sich leicht lenken. Danija brauchte nicht am Strick zu ziehen wie beim Führen ihrer Ziege, sondern ein Fingerzeig genügte, um Sternvürbe den Weg zu weisen. Natürlich hatte das Pferd dabei immer einen richtigen Zaum getragen und ein Sitzkissen. Das hatte Danija jetzt nicht, es musste so gehen – die Stute war schließlich auch ein Geschöpf der Göttin. Danija flüsterte Sternvürbe ins Ohr, dass sie gemeinsam eine Aufgabe zu erfüllen hätten, und das Pferd lauschte freundlich. Es hielt geduldig still, als sich Danija von einem Stein aus rittlings auf seinen Rücken schob, nachdem sie ihm den Halfterstrick wie einen Zügel um den Hals gelegt hatte.
»Geh«, flüsterte Danija.
Sternvürbe trat an. Sie bewegte sich zunächst etwas zögernd, da sich die Reiterin am Zügel festklammerte, doch dann ließ Danija den Strick lockerer, und die Zelterin fand zu ihrem lebhaften, schwingenden Rhythmus. Schnell, wie Danija fand – aber sicher nicht schnell genug, um die Ritter einzuholen. Danija würde nach ihnen in Arkona ankommen, nur hoffentlich nicht zu spät, um sie daran zu hindern, dem Fürsten ihre Lügen glaubhaft zu machen.
Vaclav und seine Ritter hatten den Schwarzen See verlassen, als eben der Morgen dämmerte. Arkona erreichten sie nun gleich nach der Morgenmesse. Der Fürst verließ eben gefolgt von seinem Hofkaplan die Kirche und sah die Männer eintreffen. Verwundert fixierte er Vaclav.
»Um welch seltsame Zeit reitet denn Ihr auf den Hof, Vaclav?«, erkundigte er sich. »Und mit so vielen Rittern. Hatte ich Euch nicht an den Schwarzen See geschickt? Wozu brauchtet Ihr eine Eskorte von fast zwanzig Reitern? Um ein paar Leute in einem Dorf zu befragen? Und warum reitet Ihr dazu nicht am Morgen los und kommt am Abend wieder? Das sind Bauern da in Jasmund, Vaclav, die behelligt man nicht so spät am Abend.«
Vaclav stieg vom Pferd und verbeugte sich vor seinem Herrn. Dieses frühe Treffen behagte ihm wenig, er hätte sich lieber erst mit einem guten Essen gestärkt, die Kleidung gewechselt und sich noch einmal mit seinen Rittern abgesprochen, bevor er vor den Fürsten trat. Stattdessen musste er jetzt eilig überlegen, wie er am klügsten vorging.
»Mein Fürst, dies war mehr als eine einfache Befragung! Ihr glaubt nicht, mein Fürst, was sich ergeben hat, als wir die ersten Weiber verhörten! Die hielten nicht mal zurück mit ihren Schandtaten, sie waren noch stolz auf ihre Gotteslästereien …« Vaclav unterstrich seine Worte mit großen Gesten und legte die Hand wie schützend an seinen Schwertknauf.
Jaromar runzelte die Stirn. »Ihr wollt sagen, die Anschuldigungen von diesem dummen, bösartigen Kerl von neulich haben sich als wahr erwiesen? Ich hätte das nie gedacht, aus dem Mann sprach doch der blanke Hass, wie er da einen Hexensabbat nach dem anderen schilderte.«
Vaclav nickte ernst. »Es war und ist noch weitaus schlimmer, mein Fürst. Ein Sündenpfuhl, ein …«
Jaromar zog seinen Mantel enger um sich. So früh am Morgen war es noch empfindlich kalt auf dem Hof. »Kommt mit in den Palas, Vaclav – und eure Männer mit euch. Und dann schildert ihr mir genauer, was ihr da gemacht habt am Schwarzen See, eine ganze, lange Nacht lang. Ihr werdet doch kaum einem Hexentanz beigewohnt haben, oder?«
Der Fürst nahm auf seinem erhöhten Sitz Platz, nahe der Kohlebecken, die den Palas wenigstens notdürftig erwärmten. In der Kirche verzichtete er auf diesen Luxus. Er fror dort bereitwillig im Gedenken an das Leid des Erlösers.
Vaclav und seine Ritter reihten sich vor ihm auf und schilderten die Ereignisse am Schwarzen See nach ihrem Gutdünken.
»Die Hexe leugnete erst gar nicht. Als wir ihr die Jungfrauen brachten, die sie verführt hatte, setzte sie sich stolz an ihre Spitze und tanzte ihnen voraus in ihr Heiligtum. Es liegt in einem Hain am See, Fürst, an einer Quelle, und dort schilderten sie uns ihre Begegnungen mit dem Teufel.«
»Mit dem Teufel?«, fragte der Hofkaplan. Er war ein sehr strenger, korrekter Mann, der es mit der Bekehrung der Rujaner ernst meinte. Die Kulte der wichtigsten slawischen Götter waren ihm vertraut. »Ich denke, sie huldigten dort dem Götzenweib Mokuscha. Mit Dämonen hatte das nichts zu tun und mit der Hölle.«
Vaclav zuckte die Schultern. »Ich wiederhole nur, was die Weiber sagten«, behauptete er. »Und da war mehr als ein Teufel im
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