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Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Geisel des Löwen: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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führen. Dann konnte der Zweikampf vielleicht gleich dort stattfinden. Magnus’ Wort würde gegen das der Ritter stehen, und Vaclav musste sich keine Verleumdungen von einem Bauern bieten lassen.
    Er sah zu, wie der See die letzten Beweise seiner Tat verschluckte. Der Grund war moorig, so schnell würden die Leichen nicht wieder an die Wasseroberfläche kommen. Und der blutgetränkte Hain …
    Vaclav schwang sich in den Sattel. »Zündet den Wald an, der dieser Heidengöttin heilig war. Und das Haus der Hexe«, wies er seine Ritter an. »Doch vorher reinigt euch, dann können wir wieder zu den anderen stoßen. Die sollen die Bauern dann freilassen – schließlich muss hier einer löschen, bevor noch die Burg in Flammen aufgeht.«

Kapitel 6

    D anija bahnte sich den Weg durch den brennenden Wald, weg vom Hain der Göttin und auch erst mal weg vom Dorf. Nicht auszudenken, dass sie den Rittern doch noch in die Hände fiel! Erschöpft stolperte sie durch das Unterholz, dem furchtbaren Lärm der prasselnden Flammen und der Hitze entfliehend. Immerhin brauchte sie dabei ihr Schluchzen nicht mehr zu unterdrücken. Die erstickten Laute wurden eins mit dem Stöhnen der im Feuer sterbenden Bäume, dem Krachen, wenn sie fielen. Es war beinahe erleichternd, dass sie endlich fortlaufen und weinen konnte.
    In den letzten Stunden hatte Danija keinen Laut von sich gegeben, um die Aufmerksamkeit der Männer nicht auf sich zu lenken. Nun wäre ihr Schluchzen wohl auch da schon in den Schreien der anderen Frauen untergegangen, aber Danija hatte wie erstarrt im Weidendickicht am See gehockt. Sie hätte fliehen können, und sie hätte ihrer Mutter und den todgeweihten Mädchen auch gar nicht zum See folgen müssen, aber sie sah es als ihre Pflicht an, ihr Leiden wenigstens zu bezeugen. Diese Frauen starben für sie – keine von ihnen hatte irgendetwas mit dem Kult der Göttin zu tun, was über wenige Fragen an das Orakel hinausging. Aber sie, Danija, war Mokuscha geweiht.
    »Und gerade deshalb musst du leben«, hatte Katica gesagt, als Danija das Massaker zum dritten Mal im Spiegel des Sees sah. »Du bist die Letzte, Danija, und wenn die Göttin dich nicht benötigt, die Frauen im Dorf brauchen dich ganz sicher. Also lauf weg, Danija, wenn die Männer kommen.«
    Und Danija hatte das dann wirklich getan, Vaclavs Männer hatten sich ja nicht lautlos genähert. Danija und Katica hatten ihr Kommen schon gehört, als sie nur das Dorf verließen. Als Vaclav die Frauen zum See trieb, war die junge Priesterin ihnen gefolgt, um bei ihnen zu sein. Und jetzt musste sie fliehen, um nicht noch in den Flammen den Tod zu finden.
    Danija war unendlich traurig, aber sie war auch wütend und blind vor Hass. Der neue Glaube besagte, man solle seinem Feind auch die rechte Wange hinhalten, wenn er einen auf die linke Wange schlüge, und Katica hatte es ganz ähnlich gesehen. Auch sie überließ gern der Göttin die Rache. Danija fand jedoch, dass es nicht sein konnte, dass diese Männer ungestraft davonkamen! Oder dass die Strafe doch bis zu einem nächsten Leben warten musste. Es sollte auch auf Erden schon Gerechtigkeit geben!
    Jaromar sei ein guter Herr, hatte Magnus nach dem Gerichtstag gesagt, und auch Zwonimir hatte oft schon betont, dass der Fürst ein gerechter Mann sei. Ganz sicher konnte er das, was hier geschehen war, nicht gutheißen.
    Danija versteckte sich im Wald, bis sie die Stimmen der Dörfler hörte. Laute Befehlsstimmen der Männer, die das Löschen der Brände regelten, aber auch Weinen und verzweifelte Rufe von Müttern nach ihren Töchtern, Männern nach ihren Frauen. Die Leute waren frei, die Ritter mussten also abgezogen sein.
    Danija entschied, nicht mit den Dörflern zu reden. Die Angehörigen der Toten mussten blind sein in ihrem Schmerz. Wer wusste, was sie Danija antaten, wenn sie sahen, dass die einzig wirklich Schuldige davongekommen war?
    Die junge Frau schlich sich zu dem Gehöft von Amra und Magnus. Wie erwartet stand die Stute Sternvürbe hinter dem Haus auf der Weide und wieherte kläglich, als sie Danija kommen sah. Natürlich, sie vermisste ihre Gefährten, die beiden Wallache, die Magnus’ Wagen zogen. Als Danija ihr Halfter am Weidetor fand, näherte das Pferd sich eifrig mit aufgestellten Ohren. Danija halfterte es mit klopfendem Herzen auf. Sie hatte das noch nie selbstständig gemacht, und vor einem schweren Zugpferd hätte sie sich auch gefürchtet. Aber auf Sternvürbe hatte Amra sie schon ein- oder zweimal

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