Die Geisel von Zir
geschmissen hätte, um den ›Bettlern eine Lektion zu erteilen‹, wie er sich ausdrückte. Percy ist ein fähiger Bursche, aber auch ein Imperialist von altem Schrot und Korn, und das ist heutzutage aus der Mode.« Strachan schaute Reith an. »Komisch – da fällt mir gerade ein, Borel hatte auch rote Haare, so wie Sie.«
»Ein Wunder, dass meine noch nicht grau sind, nach all dem, was ich mit meinen Schäfchen schon erlebt habe.«
»Ja? Dann erzählen Sie mir mal von Ihrem Leidensweg.« Strachan drehte sich um und orderte bei dem Diener zwei neue Drinks.
Reith erzählte von den Abenteuern seiner Gruppe in Gadri, Majbur und Reshir. »Danach schienen sie für eine Weile Vernunft angenommen zu haben, aber leider hielt das nicht sehr lange vor. In Chesht kriegte dieser Trottel Schwerin erneut Ärger wegen seiner Knipserei. Der Pandr von Lusht hatte offenbar einem einheimischen Fotografen ein Monopol garantiert. Die Kamera, die dieser Krishnaner benutzte, war ein echtes Museumsstück; sie sah aus wie einer von den Apparaten, wie sie die ersten Fotografen auf der Erde in den Kindertagen der Fotografie benutzten: ein riesiger schwarzer Kasten auf einem Dreifuß, und als Blitzlicht eine Pfanne, auf die er eine Art Pollen streute.
Während ich damit beschäftigt war, Otto aus der Patsche zu befreien, verführte Valerie Mulroy, unsere Gruppennymphomanin, einen Altardiener im Tempel des Kangand. Es gelang mir, die Priester davon abzubringen, den armen Kerl auszupeitschen, aber dann erhängte er sich in seiner Zelle, offenbar weil er die Schmach nicht verwinden konnte, sein Gelübde gebrochen zu haben. Und Madame Jussac klaute doch tatsächlich Juwelen! Aber sie ist ein prima Kerl - meinte, es wäre ohnehin bloß wertloses Zeugs.
Die nächste Aufregung gab es, als Valerie sich an Guzmán-Vidal ranmachte und ich nur mit Mühe Senora Pilar daran hindern konnte, Valerie umzubringen. In Upore verursachte Shirley Waterford, die farbige Dame, dann um ein Haar einen Volksaufruhr, als sie sich auf den Marktplatz stellte und vor einer Menge geschwänzter Sklaven eine flammende Rede gegen die Übel des Rassismus schwang. Sie hatte irgendeinen verkrachten volltrunkenen Terraner aufgegabelt, der für sie übersetzte. Sie ist eine gute Seele, erfüllt von hehren Idealen, aber leider ohne gesunden Menschenverstand. Das Schlimmste war, dass Khorsh gerade in irgendwelchen priesterlichen Obliegenheiten unterwegs war und ich kein Wort Katai-Jhogorai konnte. Ein paar Sklavenbesitzer versuchten den Pöbel gegen uns aufzuhetzen, um uns zu lynchen, aber zum Glück schafften wir es, heil aufs Schiff zurückzukommen, ehe die Meute sich formiert hatte.
Seit der Zeit sind wir nicht mehr von Bord gegangen, aber das Wetter war ohnehin zu schlecht. Sagen Sie, gibt es außer Mjipa noch andere Terraner in Baianch?«
»Ein paar Missionare von terranischen Sekten, ein oder zwei verkrachte Existenzen und eine Anthropologin, die herumläuft und den Kopfumfang von Krishnanern ausmisst. Wenn schon mal die Rede davon ist, dass alle Ertsuma nicht ganz dicht im Kopf sind, dann wird in der Regel sie als das deutlichste Beispiel angeführt. Ja, und dann zur Zeit natürlich noch ich, aber ich bin ja nur für ein paar Tage hier. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie und Ihre Leute mit mir nach Gha’id rausfahren?«
»Ja.«
»Nun, dann will ich nur hoffen, dass sie was vertragen können«, sagte Strachan. »Der Ausflug wird nämlich alles andere als ein Zuckerschlecken. Alles da draußen beißt, sticht und stinkt, und alles Widerliche ist mindestens doppelt so widerlich wie die irdische Pest.«
»Bis jetzt haben sie sich ganz tapfer geschlagen«, erwiderte Reith. »Die alte Missis Scott sieht zwar ein bisschen hinfällig aus, aber das täuscht; die besteht offenbar aus Gummibändern und Klavierdraht. Aber erzählen Sie mir was von sich, Ken. Ich habe schon immer mal Schottland besuchen wollen, wo meine Vorfahren herkommen.«
»Ja? Also, eins kann ich dir sagen: Für einen, der dort geboren und aufgewachsen ist, ist es nicht so romantisch. Ich bin von Aberdeenshire, vom Fuß der Grampianberge, und von klein an hatte ich nur ein Ziel vor Augen, nämlich da rauszukommen. Nun, man könnte fast sagen, dass mir das besser gelungen ist, als ich mir je hätte träumen lassen.« Strachan nahm einen kräftigen Schluck Kvad, warf den Kopf zurück und sang:
»Kahl sind Kaledoniens Höhen, Seine Eb’nen rau und wild, Nackt die Beine seiner Nymphen, Nackt die
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