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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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tat, als sei ich soeben erst eingetroffen, so daß wir uns an der Tür begegneten.
    »Ich habe gerade mit deinem Vater über dich gesprochen, Chiyo-chan«, sagte er. »Ich wohne hinter dem Berg in Senzuru. Das ist ein größerer Ort als Yoroido. Ich glaube, es würde dir dort gefallen. Habt ihr nicht Lust, du und Satsu-chan, morgen dorthin zu kommen? Ihr könntet euch mein Haus ansehen und meine kleine Tochter kennenlernen. Vielleicht bleibt ihr ja sogar über Nacht. Nur eine Nacht, natürlich, dann werde ich euch wieder nach Hause zurückbringen. Was meinst du?«
    Das wäre sehr schön, antwortete ich. Und gab mir die größte Mühe, so zu wirken, als wäre das kein außergewöhnlicher Vorschlag. Innerlich war mir aber, als hätte eine Explosion stattgefunden. Nur mühsam konnte ich meine zerrissenen Gedanken wieder zusammensetzen. Gewiß, einerseits hatte ich verzweifelt darauf gehofft, nach Mutters Tod von Herrn Tanaka adoptiert zu werden, andererseits hatte ich aber auch große Angst. Ich schämte mich fürchterlich, mir vorgestellt zu haben, ich könnte anderswo leben als in meinem beschwipsten Haus. Als Herr Tanaka gegangen war, versuchte ich mich in der Küche zu beschäftigen, kam mir aber fast vor wie Satsu, denn ich konnte die Dinge vor mir kaum erkennen. Ich weiß nicht, wieviel Zeit verging. Schließlich hörte ich von meinem Vater ein schniefendes Geräusch, das ich für Weinen hielt, woraufhin mir das ganze Gesicht vor Scham brannte. Als ich mich schließlich zwang, zu ihm hinüberzublicken, sah ich, daß er die Arme schon wieder tief in seinen Fischernetzen vergraben hatte, dabei jedoch an der Tür stand und ins Hinterzimmer hinüberstarrte, wo meine Mutter in der prallen Sonne unter einem dünnen Laken lag, das an ihr klebte wie eine zweite Haut.
    Am folgenden Tag scheuerte ich mir zur Vorbereitung auf das Treffen mit Herrn Tanaka im Dorf gründlich die schmutzigen Beine und blieb eine Weile in unserem Badezuber liegen, der früher einmal der Kessel einer alten Dampfmaschine gewesen war, die jemand in unserem Dorf zurückgelassen hatte. Der obere Teil war abgesägt und das Innere mit Holz ausgekleidet worden. Ziemlich lange saß ich da, blickte aufs Meer hinaus und fühlte mich sehr selbständig, denn zum erstenmal in meinem Leben sollte ich etwas von der Welt außerhalb unseres Dorfes sehen.
    Als wir, Satsu und ich, vor der Fischfabrik ankamen, beobachteten wir, wie die Fischer an der Pier ihren Fang ausluden. Auch mein Vater gehörte dazu. Mit seinen knochigen Händen packte er die Fische und warf sie in die Körbe. Einmal sah er zu mir und Satsu herüber und trocknete sich mit dem Hemdsärmel das Gesicht. Irgendwie wirkten seine Züge schwerer als sonst. Die vollen Körbe wurden von den Männern zu Herrn Tanakas Pferdefuhrwerk getragen und auf der Ladefläche verstaut. Um besser zusehen zu können, kletterte ich auf das Rad. Die meisten Fische starrten mich mit glasigen Augen an, hin und wieder jedoch bewegte einer den Mund, und das sah für mich aus wie ein stummer Schrei. Ich versuchte sie zu trösten, indem ich sagte:
    »Ihr werdet jetzt nach Senzuru gebracht, ihr kleinen Fischlein! Alles wird gut werden.«
    In meinen Augen hätte es ihnen wenig genutzt, wenn ich ihnen die Wahrheit gesagt hätte.
    Schließlich kam Herr Tanaka auf die Straße heraus und wies Satsu und mich an, zu ihm auf den Kutschbock zu steigen. Ich saß in der Mitte, nahe genug, um den Stoff von Herrn Tanakas Kimono an meiner Hand zu spüren. Unwillkürlich errötete ich dabei. Satsu sah mich an, schien aber nichts zu merken, denn sie trug ihren gewohnten verwirrten Ausdruck zur Schau.
    Den größten Teil der Fahrt verbrachte ich damit, mich zu den Fischen umzudrehen, die in ihren Körben zappelten. Als wir Yoroido verließen und den Bergkamm erklommen, fuhr ein Rad über einen Stein, und der Wagen neigte sich plötzlich zur Seite. Einer der Seebarsche wurde aus dem Korb geschleudert und schlug so hart auf dem Boden auf, daß er wieder zum Leben erweckt wurde. Mit anzusehen, wie er herumzappelte und nach Luft schnappte, war mehr, als ich ertragen konnte. Schnell drehte ich mich wieder um. Ich hatte Tränen in den Augen, und obwohl ich sie vor Herrn Tanaka verbergen wollte, hatte er sie sofort entdeckt. Nachdem er den Fisch aufgehoben hatte und wir weiterfuhren, fragte er mich, was denn los sei.
    »Der arme Fisch!« sagte ich.
    »Du bist genau wie meine Frau. Die meisten sind tot, wenn sie sie zu Gesicht bekommt, aber wenn sie

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