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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Militärpolizei angewiesen hatte, uns nicht zu behelligen. Sie sehen also, daß wir in diesem Bergsee namens Gion die Fische waren, die im wärmsten Wasser schwammen.
    Während sich die Dunkelheit immer tiefer auf Japan herabsenkte, kam schließlich der Zeitpunkt, da selbst der winzige Lichtpunkt, in dem wir überlebt hatten, plötzlich verlosch. Es geschah innerhalb eines kurzen Augenblicks, an einem Nachmittag nur wenige Wochen vor Neujahr, im Dezember 1942. Ich saß gerade beim Frühstück – oder vielmehr, meiner ersten Mahlzeit an diesem Tag, denn ich hatte geholfen, die Okiya zur Vorbereitung auf das neue Jahr gründlich zu putzen –, als am Eingang eine Männerstimme ertönte. Ich dachte, er bringe vielleicht nur eine Lieferung, deswegen fuhr ich mit meiner Mahlzeit fort. Kurz darauf wurde ich jedoch von der Dienerin unterbrochen, die mir mitteilte, ein Militärpolizist wolle mit Mutter sprechen.
    »Ein Militärpolizist?« fragte ich. »Sag ihm, daß Mutter nicht da ist.«
    »Das habe ich, Herrin. Deswegen will er mit Ihnen sprechen.«
    Als ich die Eingangshalle betrat, sah ich, daß der Polizist im Eingang seine Stiefel auszog. Die meisten Leute wären vermutlich erleichtert gewesen, wenn sie gesehen hätten, daß die Pistole noch fest in ihrer Ledertasche steckte, doch unsere Okiya war zu jenem Moment anderes gewohnt. Normalerweise hätte sich ein Polizist noch mehr entschuldigt als die meisten anderen Besucher, weil er wußte, daß sein Auftritt uns womöglich in Angst und Schrecken versetzte. Aber der Anblick, wie er an seinen Stiefeln zog… Nun, das war seine Art, uns zu verkünden, daß er das Haus betreten werde, ob es uns nun paßte oder nicht.
    Ich verneigte mich und begrüßte ihn, er aber hatte nur einen kurzen Blick für mich übrig – fast so, als werde er mich später vornehmen. Schließlich zog er sich die Socken hoch und die Mütze herunter, stieg in die Eingangshalle hinauf und sagte, er wünsche unseren Gemüsegarten zu sehen. Einfach so, ohne ein Wort der Entschuldigung. Damals hatten nämlich fast alle Bewohner von Kyoto und vermutlich des ganzen Landes ihre Ziergärten zu Gemüsegärten umfunktioniert – das heißt, alle, bis auf Leute wie wir. General Tottori versorgte uns so reichlich mit Lebensmitteln, daß wir unseren Garten nicht umpflügen mußten und uns weiterhin an Haarmoos, Speerblumen und dem winzigen Ahornbaum in der Ecke erfreuen konnten. Da es Winter war, hoffte ich, der Polizist werde nur einen kurzen Blick auf die Stellen im gefrorenen Boden werfen, wo die Gewächse abgestorben waren, und sich sagen, wir hätten Kürbis und Süßkartoffeln zwischen den Zierpflanzen gezogen. Deshalb sagte ich, nachdem ich ihn in den Innenhof geführt hatte, kein einziges Wort, sondern sah schweigend zu, wie er niederkniete und die Erde mit den Fingern berührte. Vermutlich wollte er erkunden, ob der Boden zum Bepflanzen umgegraben worden war.
    Da ich unbedingt etwas sagen wollte, stieß ich das erstbeste hervor, was mir einfiel: »Erinnert der mit Schnee überstäubte Boden Sie nicht an Meeresgischt?« Er antwortete nicht, sondern richtete sich zu voller Größe auf und fragte mich, welches Gemüse wir angepflanzt hätten.
    »Herr Offizier«, sagte ich, »es tut mir wirklich sehr leid, aber wir hatten keine Gelegenheit, überhaupt Gemüse anzupflanzen. Und nun, da der Boden so hart gefroren ist…«
    »Ihr Nachbarschaftsverband hatte ganz recht mit dem, was er über Sie sagte!« sagte er und nahm sein Käppi ab. Dann zog er ein Blatt Papier aus der Tasche und las mir eine lange Liste der Missetaten unserer Okiya vor. Ich kann mich gar nicht mehr an alle erinnern: Horten von Baumwollstoff, das Versäumnis, Waren aus Metall oder Gummi für die Kriegsanstrengungen abzuliefern, Mißbrauch von Lebensmittelmarken und so weiter. Es stimmt, daß wir das alles getan hatten – wie jede andere Okiya in Gion. Unser Verbrechen bestand vermutlich darin, daß wir mehr Glück gehabt hatten und länger und in besserer Verfassung überleben konnten als die anderen, bis auf einige wenige.
    Zum Glück kam in diesem Augenblick Mutter nach Hause. Sie schien keineswegs überrascht zu sein, einen Militärpolizisten anzutreffen; im Gegenteil, sie war höflicher zu ihm, als sie es jemals zu einem anderen Menschen gewesen war. Sie führte ihn in unser Empfangszimmer und servierte ihm eine Tasse von unserem unrechtmäßig erworbenen Tee. Obwohl die Tür geschlossen war, hörte ich sie sehr lange reden. Einmal,

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