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Die Geisha - Memoirs of a Geisha

Titel: Die Geisha - Memoirs of a Geisha Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Golden
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Aber sie hatte einen Husten, der zu ihr gehörte wie der Gesang zu einem Vogel, und ihre Haut war verfärbt, als hätte man sie in Tusche getaucht, denn die Kohle, die in den Fabriken verwendet wurde, war äußerst minderwertig und bedeckte beim Verbrennen alles in der Umgebung mit Ruß. Die arme Korin war gezwungen, Doppelschichten zu fahren, während sie nur einmal am Tag eine Schale mit sehr dünner Fleischbrühe und ein paar Nudeln oder wäßrigem, mit Kartoffelschalen gewürztem Reisbrei bekam.
    Sie können sich also vorstellen, wie groß unsere Angst vor den Fabriken war. Wir waren für jeden Tag dankbar, den Gion noch offen war.
    Als ich eines Tages im Januar des folgenden Jahres mit den Lebensmittelmarken in der Hand vor dem Reisladen im Schneegestöber Schlange stand, steckte der Ladenbesitzer nebenan den Kopf zur Tür heraus und rief in die eisige Kälte hinein:
    »Es ist passiert!«
    Verblüfft sahen wir uns alle an. Ich war zu benommen vor Kälte, um mich zu fragen, wovon er redete, denn ich trug nur ein dickes Tuch über meiner Bauernkleidung; Kimonos trug tagsüber schon lange keiner mehr. Schließlich wischte sich die Geisha vor mir den Schnee von den Augenbrauen und fragte den Mann, was er meine. »Der Krieg ist doch nicht etwa aus – oder?«
    »Die Regierung hat verkündet, daß die Geishaviertel geschlossen werden«, antwortete er. »Ihr sollt euch alle morgen vormittag im Registerbüro melden.«
    Einen Moment lauschten wir dem Radio in seinem Geschäft. Dann wurde die Tür wieder geschlossen, und wir vernahmen nichts als das sanfte Fallen des Schnees. Ich sah die Verzweiflung in den Gesichtern der anderen Geishas und wußte sofort, daß wir alle denselben Gedanken hatten: Welcher der Männer, die wir kannten, würde uns vor dem Leben in der Fabrik retten?
    Obwohl General Tottori bis zum vergangenen Jahr mein danna gewesen war, stand für mich fest, daß ich nicht die einzige Geisha war, die seine Bekanntschaft gemacht hatte. Also mußte ich ihn schnell erreichen, damit mir keine andere zuvorkam. Zwar war ich für dieses Wetter nicht angemessen gekleidet, aber ich steckte meine Lebensmittelmarken in die Tasche meiner Bauernhose zurück und machte mich unverzüglich auf den Weg in den Nordwesten der Stadt. Dort wohnte der General angeblich im Gasthaus Suruya, demselben, in dem wir uns so viele Jahre lang an zwei Abenden die Woche getroffen hatten.
    Ungefähr eine Stunde später traf ich dort ein – brennend vor Kälte und von Kopf bis Fuß voll Schnee. Doch als ich die Herrin begrüßte, musterte sie mich mit einem langen Blick, bevor sie sich entschuldigend verneigte und erklärte, sie habe keine Ahnung, wer ich sei.
    »Ich bin’s, Herrin – Sayuri! Ich möchte den General sprechen.«
    »Sayuri-san… gütiger Himmel! Nie hätte ich gedacht, ich müßte erleben, daß Sie wie eine Bauersfrau aussehen!«
    Sie führte mich sofort hinein, wollte mich aber nicht zum General bringen, bevor sie mich mit hinaufgenommen und in einen ihrer Kimonos gesteckt hatte. Sie legte mir sogar ein bißchen gehamstertes Make-up auf, damit mich der General erkannte, wenn er mich sah.
    Als ich dann kurz darauf sein Zimmer betrat, saß General Tottori am Tisch und lauschte einem Hörspiel im Radio. Sein Baumwollkimono stand offen, so daß man seine knochige Brust und die dünnen, grauen Haare sah. Wie ich feststellte, hatten ihn seine Leiden im vergangenen Jahr weit schlimmer mitgenommen als mich die meinen. Schließlich hatte man ihn ganz schrecklicher Verbrechen angeklagt: Nachlässigkeit, Inkompetenz, Machtmißbrauch und so weiter; manche Leute fanden, er könne von Glück sagen, daß ihm das Gefängnis erspart geblieben war. Ein Zeitungsartikel hatte ihm sogar die Schuld an den Niederlagen der kaiserlichen Marine im Südpazifik gegeben, weil er es versäumt habe, den Transport des Nachschubs zu überwachen. Nun ja, manche Menschen ertragen Ungemach eben besser als andere, und ein Blick auf den General genügte mir, um zu erkennen, daß das Gewicht des vergangenen Jahres so schwer auf ihm gelastet hatte, daß seine Knochen brüchig geworden waren. Selbst sein Gesicht wirkte ein wenig verformt. Früher hatte er nach eingelegtem Gemüse gerochen. Als ich mich jetzt auf den Matten in seiner Nähe vor ihm verneigte, nahm ich einen anderen säuerlichen Geruch an ihm wahr.
    »Sie sehen gut aus, General«, sagte ich, obwohl das natürlich gelogen war. Der General schaltete das Radio ab. »Du bist nicht die erste, die zu mir

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