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Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
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mein Sohn, der spinnt. Der geht seit Monaten nur noch in schwarzen Klamotten aus dem Haus. Und jetzt, letzte Woche, da hat er sein Zimmer schwarz angestrichen. Komplett schwarz! Das ist eine Teufelshöhle! Er ist Satanist geworden …«
    »Aber wenn Sie …«, versuchte ich sie zu unterbrechen. Vergeblich.
    »… und jetzt hat er auch noch unseren Pfarrer mit einer Bierflasche angegriffen. Stellen Sie sich das mal vor! Was soll ich nur mit dem Kerl machen? Wie bekomme ich den da wieder weg von dem Teufelszeug?«
    Okkultistische Praktiken sind immer wieder, vor allem bei Jugendlichen, ein Thema. In der Pubertät, wenn die jungen Menschen sich orientieren, wenn sie sich von den Eltern und deren Glaubensvorstellungen abwenden, dann experimentieren sie – manchmal auch mit okkulten Praktiken. Die meisten davon sind relativ harmlos, und man kann davon ausgehen, dass der »Spuk« im Sinne der Redensart wieder vorbeigeht.
    Von Anfang an war ich in der Beratungsstelle also dazu da, den Eltern Entwarnung zu geben und sie um Gelassenheit zu bitten. Ähnliches versuchte ich bei der Frau, die sich aber nicht wirklich beruhigen lassen wollte. Schließlich sprach ich mit dem Pfarrer, der angeblich angegriffen worden war, und fand heraus, dass die Verzweiflung der Frau größer war als nötig.
    »Ach, das ist übertrieben«, antwortete der Pfarrer. »Es gab wohl einen kleinen Streit, weil der Junge mit Freunden vor der Kirche gezecht hatte. Das war aber nicht besonders schlimm – und den Angriff muss unsere Mesnerin sich eingebildet haben. Für meinen Geschmack kann man mit dem Jungen ganz gut reden. Das ist ein lieber Kerl, der sich halt so kleidet wie seine Freunde aus der Gothic-Szene. Wenn es nach mir geht, muss man sich um den jetzt keine Sorgen machen.«
    Ich bat den Pfarrer, seine Gelassenheit der Mutter des jungen Mannes noch einmal selbst zu vermitteln. Der Pfarrer versprach mir seine Hilfe. Ein halbes Jahr später erreichte mich ein Brief der Mutter, demzufolge der Junge eine Ausbildung begonnen habe – und die Wände in seinem Zimmer seien nun auch wieder weiß gestrichen.
    An einem anderen Fall erkennt man, dass es nicht immer ausreicht, die Betroffenen zu beruhigen. Man muss sich auch in ihren Vorstellungswelten auskennen, wenn man wirklich helfen will. Die meisten Menschen haben kaum eine Vorstellung davon, mit welchen Themen sich Jugendliche befassen.
    Ein junger Mann lag nach einer heftigen Schlägerei mit Altersgenossen im Krankenhaus. Die Eltern hatten ihn wegen seines sonderbaren Verhaltens bereits in psychiatrische Behandlung gegeben. »Ohne Erfolg«, sagten die Eltern. Sie versicherten mir, ihr Sohn sei ein »Satanist« – und deshalb auch von seinen Altersgenossen verprügelt worden.
    Als ich ihn zum ersten Mal sah, fiel mir vor allem seine schwarze »Gruft«-Kleidung auf. Sonst aber machte er einen aufgeschlossenen und intelligenten Eindruck. Es stellte sich heraus, dass er sich sehr viel mit Magie befasste und eigene »Experimente« durchgeführt hatte, wie er sagte. Dabei sei es ihm unter anderem darum gegangen, das Wetter »magisch« zu beeinflussen.
    Ich stellte schnell fest, dass er sich in der einschlägigen Literatur bestens auskannte. Und er war misstrauisch. Die erste halbe Stunde unseres Gesprächs nutzte er, um mich auszufragen, um herauszufinden, ob ich ein ernst zu nehmender Gesprächspartner sei. Schließlich fasste er Vertrauen und bewies durchaus beeindruckende Kenntnisse über Wetterzusammenhänge. Er erzählte von seinen »Ritualen« und beobachtete deren »Wirkung« auf das Wetter. Er rührte Pulver zusammen, sprach Formeln und verwendete Gesten für seine magischen Wetterexperimente. Leider schien er mir ein tragischer Magier zu sein: Bei einem Misserfolg ging er immer davon aus, dass ihm während des Rituals ein Fehler unterlaufen sei. Wenn sich das Wetter nach seinen Beschwörungen wirklich änderte, schrieb er es seiner neu erlernten Kunst zu.
    Immerhin: Es stellte sich heraus, dass er weder Satanist noch psychotisch noch irrational war; er hatte sich lediglich ein komplett anderes System der Weltbeschreibung zugelegt, mit dem niemand in der Kleinstadt, in der er lebte, etwas anfangen konnte. Er war allerdings so sehr in die magische Welt gedriftet, dass er die Sorgen nicht mehr wahrnahm, die sich seine Umgebung um ihn machte.
    Ich wendete einen Trick an. Ich versuchte nicht, sein System zu »korrigieren« und ihm sein Interesse an der Magie auszureden (das meist nach einer

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