Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)

Titel: Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Wagner , Walter von Lucadou
Vom Netzwerk:
Erhöhung der Dosis würde hier eher das Gegenteil bewirken.
    Neulich rief jemand an, der mir von einer angeblichen Ufo-Sichtung erzählen wollte. Er fing an zu berichten und glaubte offenbar, ich würde dann ins Gespräch einsteigen und aufgeregt nach den Einzelheiten fragen. Er schien bald frustriert, weil ich vor allem zuhörte. Ich antwortete mit »Ja« und sagte »Hm« oder »Erzählen Sie weiter«. In aller Ruhe fragte ich nach Details. Allein diese Beharrlichkeit erzeugt eine Gesprächsebene, die meist den Effekt hat, dass »Scherzkekse« einfach auflegen. Mittlerweile ist meine Befürchtung, einem Lügner aufzusitzen, relativ gering. Einerseits weiß ich, welche Bandbreite an Erlebnissen paranormale Phänomene erzeugen können. Andererseits gibt es Methoden, um herauszufinden, ob jemand »Märchen« erzählt. Wenn die Antwort auf eine einfache Frage nicht gleich kommt, wenn jemand lange nachdenken muss, dann ist er eher unglaubwürdig. Normalerweise kennt man von einem Erlebnis, das einen nachhaltig beeindruckt, jedes Detail. Wer nach wahren Ereignissen gefragt wird, kann sich auch bei provozierenden Fragen nicht verstricken. Den Anrufer mit dem Ufo hätte man vielleicht mit der Frage aus dem Konzept bringen können, ob der Himmel wirklich klar gewesen sei am Abend der Sichtung – eigentlich sei es doch überall bewölkt gewesen. Ein Mensch muss sehr gut trainiert sein, wenn er glaubhaft lügen will.
    Aber heißt das nun, dass ich die meiste Zeit damit beschäftigt bin, Wahrheit und Lüge voneinander zu trennen?
    Müsste meine Arbeit nicht eigentlich von großem Misstrauen geprägt sein?
    Um diese Fragen ging es, als ich mich kürzlich mit meiner Schwester zum Essen traf. Sie arbeitet als Psychotherapeutin und stellte im Lauf des Gesprächs eine grundsätzliche Frage:
    »Sag mal, was passiert in deiner Beratungsstelle eigentlich anderes als in einer psychologischen Beratung – in einer psychosozialen Beratungsstelle zum Beispiel, wie es sie an Universitäten für Studenten gibt?«
    »Hm«, sagte ich und legte mein Besteck zur Seite. »Interessante Frage.« Ich überlegte. »Nach allem, was ich weiß, haben die meisten paranormalen Phänomene mit dem Menschen zu tun, mit seiner Psyche. ›Auf den ersten Blick‹ ist es ganz ähnlich. Wir hören zu. Wir saugen auf, was die Menschen uns erzählen.«
    Sie nickte bestätigend, und ich fuhr fort:
    »Wenn einer meiner Klienten zu einer normalen psychosozialen Beratungsstelle kommt und von einem Spuk erzählt, dann wird die Psychologin sinngemäß sagen: ›Ich glaube Ihnen, was Sie da erzählen.‹«
    Meine Schwester nickte wieder und zuckte mit den Schultern. »Was auch sonst«, sagte sie. »Ich muss dem Klienten vermitteln, dass ich ihm gedanklich auf jeden Fall folgen werde. Egal, was er erzählt: Ich werde mich nie offen über ihn wundern. Was für eine Hilfe wäre ich dann?«
    »Das ist jetzt der Punkt«, sagte ich. »Nehmen wir an, du sagst jemandem, der dir von einem wilden Spuk erzählt, unumwunden: ›Das verstehe ich, ich glaube Ihnen, mit der Geschichte nehme ich Sie ernst.‹ Du hast dann zwar den Weg ins Gespräch geebnet – aber wird dein Gegenüber dir auch glauben?«
    »Wie meinst du das?«, wollte sie wissen.
    Ich erzählte ihr von den Betroffenen, die sich erst bei mir melden, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Viele sagen, dass sie niemandem von ihren Erlebnissen erzählen können, ohne für verrückt erklärt zu werden. Sie haben Zweifel an ihrer eigenen Wahrnehmung: Waren die Erlebnisse wirklich echt? Kann man die Erlebnisse wirklich ernst nehmen? Wie ernst kann man einen Psychologen nehmen, der so tut, als würde er die Erzählung von den paranormalen Erlebnissen glauben?
    »Aber du machst es doch so«, entgegnete meine Schwester. »Du sagst den Menschen doch auch, dass du ihnen glaubst.«
    »Aber ich muss nicht so tun, als ob. Ich weiß, dass es außergewöhnliche Wahrnehmungen gibt. Ich weiß, dass ich den Betroffenen glauben kann. Deshalb kann ich auch anders beraten, weil mir die Menschen von Anfang an vertrauen.«
    Meine Schwester fühlte sich nun provoziert. Wieso, fragte sie, sollte man ihr weniger vertrauen, nur weil sie keine Erfahrungen mit außergewöhnlichen Wahrnehmungen habe?
    Wir diskutierten darüber, wie »echt« ein Psychologe mit seinem Klienten fühlen muss, wie intensiv er die Ereignisse, von denen ein Klient berichtet, nachvollziehen muss. Ich fragte meine Schwester: »Was würdest du von einem Automechaniker halten,

Weitere Kostenlose Bücher