Die Geister, die mich riefen: Deutschlands bekanntester Spukforscher erzählt (German Edition)
meiner Frau und blätterte weiter. Dann hielt ich inne – und blätterte wieder zurück. Ich runzelte die Stirn, überlegte, wurde still.
»Was ist?«, fragte meine Frau.
Ich las den Text zum Okkultismus. Es war von einer Schule die Rede und von einer »Welle des Okkultismus«. Immer mehr Schüler, so hieß es, würden sich für okkulte Praktiken wie Gläserrücken interessieren. Bei dieser Praktik wird ein Glas in die Mitte einer Tischplatte gestellt. Zu allen Seiten legt man Buchstaben oder Symbole. Dann berühren die Beteiligten mit den Fingern leicht den Rand des Glases und warten. Wie von Geisterhand bewegt sich irgendwann das Glas in Richtung eines Buchstabens oder eines Symbols – und vermittelt, nach Überzeugung der Teilnehmer, Nachrichten aus dem Jenseits. Die Lehrer und die Eltern, so stand es in dem Artikel, seien verzweifelt, weil sie nicht wüssten, wie sie solch »finsteren Mächten« begegnen sollten.
Ich musste lächeln. Die okkulten Praktiken waren mir als Nebeneffekt meiner Arbeit in der Parapsychologie vertraut.
Gläserrücken beruht auf einem unbewussten Effekt. Niemand kann die Hände ganz ruhig halten, die Muskeln bewegen sich immer ein bisschen. Diese minimale Bewegung kann das Glas in Bewegung versetzen.
»Vielleicht sollte ich Berater werden«, sagte ich zu meiner Frau und erklärte ihr meine Idee: eine Parapsychologische Beratungsstelle, die vor allen Dingen für besorgte Lehrer und Eltern da ist. Folgte man den Zeitungen und den Fernsehsendern, erlebten die Deutschen eine neue Welle des Okkultismus und der Esoterik – die New-Age-Ideen aus den USA hatten es auch bis nach Deutschland geschafft.
»Ich muss es versuchen«, sagte ich zu meiner Frau und setzte mich an die Schreibmaschine. Dieses Mal schrieb ich keine Petition, sondern einen Antrag auf Förderung einer Einrichtung, die es bisher noch nie gab: Ich wollte eine Parapsychologische Beratungsstelle ins Leben rufen. Vorrangig für Lehrer, für Eltern, für Schüler. Schließlich aber auch – das war mein Hintergedanke – für all jene Menschen, die paranormale Phänomene erlebten oder erlebt hatten. Für Menschen, die niemand anderem von ihren Erlebnissen erzählen konnten.
Nach einigem Hin und Her, mit viel Geduld, dem Verständnis und der Aufopferungsbereitschaft meiner Frau und der Kinder, nach Anträgen beim Arbeitsamt für eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, genehmigte die baden-württembergische Landesregierung schließlich meinen Antrag. Seither wird die Beratungsstelle vom Land Baden-Württemberg finanziell unterstützt; allerdings sind wir nach wie vor auf Spenden angewiesen, weil die Mittel hinten und vorne nicht reichen.
Einige Räumlichkeiten in der Franziskanerstraße beim Rathaus in Freiburg wurden mir unentgeltlich von dem Verleger Günther Berkau zur Verfügung gestellt, sodass ich im Januar 1989 die Parapsychologische Beratungsstelle eröffnen konnte. Im Jahr 1990 schließlich zog die Beratungsstelle in die wesentlich größeren Räume in der Hildastraße um, wo sie sich auch noch heute befindet. Die Resonanz war groß, vor allem in den Medien. Allein der Name unserer Einrichtung hörte sich ja merkwürdig an und verlangte nach einer Erklärung. Sogar die Tagesschau widmete uns einen kleinen Beitrag. Die mediale Aufmerksamkeit war mir recht. Wir schalten bis heute keine Inserate und sind auf Mundpropaganda angewiesen. Viele Ärzte, Psychologen, die Polizei oder auch kirchliche Stellen wissen mittlerweile, dass es uns gibt. Während ich im Jahr 1989 noch 190 Menschen beraten habe, waren es im Jahr 2010 mehr als 3000.
Zu Beginn meiner Beratung meldeten sich vor allen Dingen besorgte Eltern, die wissen wollten, ob es schlimm sei, wenn sich ihre Kinder zum Gläserrücken träfen. Ich bekam Anrufe von Direktoren, an deren Schulen okkulte Praktiken in Mode waren und die sich von mir eine Aufklärungsveranstaltung wünschten. Es gab einen Sommer, in dem mehrere Boulevardzeitungen fast jede Woche über Teufelsaustreibungen, angebliche Hexen und satanistische Sekten berichteten. Die Berichte weckten auch bei Erwachsenen Ängste, die unser Team von der Beratungsstelle zerstreuen konnte – mit Informationsblättern, mit Telefonaten oder mit Vorträgen.
Eines Tages bekam ich einen Anruf von einer Hilfesuchenden, die genau das aussprach, was die Ursache für die Gründung der Beratungsstelle gewesen war.
»Grüß Gott, spreche ich mit dem Herrn Lucadou?«
»Ja, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wissen Sie,
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