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Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition)

Titel: Die Geister von Rosehill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanna Kearsley
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es gibt einen um …« – er durchforschte sein exaktes Fahrplangedächtnis nach der Abfahrtszeit – »6.25 Uhr. Sie gehen hier um die Ecke und dann ein Stück die Straße hinauf – dort ist die Haltestelle.«
    Und so hatte ich also meinen Koffer in das kleine Wartehäuschen der Bushaltestelle geschleppt, wo meine Stimmung allmählich wieder stieg, als ich dem dort angeschlagenen Fahrplan entnahm, daß der Bus nach Berwick über Cockburnspath, Coldingham und Eyemouth fuhr.
    Eyemouth , hatte Adrian in seinem Brief geschrieben, wird so ausgesprochen, wie man es schreibt, und keinesfalls wie Plymouth, bitte schön. Es wird Dir hier sehr gefallen, glaube ich – ich weiß noch, wie Du immer von der Nordküste Cornwalls geschwärmt hast, und das hier ist noch besser, ein richtiges altes Fischernest mit den Geistern von Schmugglern, die hinter jeder Ecke lauern, und dem zusätzlichen Reiz eines … Aber nein, ich werde Dir das Geheimnis jetzt nicht verraten. Du mußt einfach herkommen und es selbst herausfinden.
    Nun, das würde ich ja gerne tun, dachte ich mit einem Anflug von Sarkasmus, nur daß ich hier leider mitten im Coldingham Moor festsitze, der Motor immer noch im Leerlauf läuft und der Fahrer in aller Ruhe seine Zeitung liest.
    Es schien wenig angebracht, zur Weiterfahrt zu drängen, denn außer zwei verliebten Teenagern, die auf der Rückbank schmusten, war ich der einzige Fahrgast. Und der Fahrer war stärker als ich. Trotzdem hatten meine Ungeduld und meine Neugier fast ihren Höhepunkt erreicht, als er sich plötzlich aufrichtete und an einem Hebel zog, mit dem er die Tür öffnete.
    Ein Mann kam über das Moor auf uns zu.
    Vielleicht lag es an dem beschlagenen Fenster oder dem stürmischen Wetter oder an der rauhen, hügeligen Landschaft, die, wie das gesamte schottische Grenzland, Spuren einer kriegerischen Vergangenheit trug: Man glaubte, das Echo donnernder Hufe, furchterregenden Kriegsgeschreis und aufeinanderschlagender Schwerter zu hören. Was es auch war, es führte dazu, daß mir meine Phantasie einen Streich spielte. Der herannahende Mann wirkte in meinen Augen riesenhaft, ein dunkelhaariger Gigant, der mit mühelosen, weit ausholenden Schritten Farnkraut und Dorngestrüpp überwand. Er hätte eine Erscheinung aus einem anderen Jahrhundert sein können, ein furchtloser Gutsherr, der herbeieilte, um unser unverschämtes Eindringen in seine Ländereien zu bestrafen. Doch der Eindruck währte nur einen Moment.
    Der Fremde faßte den Kragen seiner Jacke enger gegen einen neuen Ansturm von Wind und Regen zusammen und trabte die letzten Meter bis zur Bustür. Kein Gutsherr, nur ein ganz gewöhnlich aussehender Mann Mitte Dreißig, durchtrainiert, mit breiten Schultern und völlig neuzeitlich in Jeans und Lederjacke gekleidet. Nun ja, korrigierte ich mich, als er seine schwarzen, lockigen Haare zurückstrich und den Busfahrer angrinste, vielleicht sah er doch nicht ganz so gewöhnlich aus …
    »Hey«, begrüßte er den Fahrer und schwang sich die letzte Stufe hinauf. »Hast mich kommen sehen, was?«
    »Ja, mein Junge, du bist nicht leicht zu übersehen. Dachte, ich wart auf dich und erspar dir den Rückweg.« Die Tür schloß sich, und zu meiner unsagbaren Freude setzte sich der Bus wieder in Bewegung, während der neue Fahrgast sich auf den Sitz neben mir fallen ließ und seine Beine dabei weit auseinander stellte, um Halt zu finden.
    Er und der Busfahrer plauderten wie alte Bekannte miteinander. Sie redeten über das Wetter, die neueste Protestphase der Tochter des Fahrers und über den Gesundheitszustand der Mutter des jüngeren Mannes. Mein letzter Besuch in Schottland war schon eine Weile her, und ich hatte ganz vergessen, wie melodisch der Akzent klang. Dieser hier war schwerer zu verstehen als der, den ich kannte, so daß ich nicht jedes Wort mitbekam, aber ich tat mein Bestes, um dem Gespräch folgen zu können. Nur zu Übungszwecken, sagte ich mir, und nicht, weil es mich wirklich interessierte.
    Der Bus rumpelte geräuschvoll über das Moor und fuhr dann in das Städtchen Coldingham, wo er einen Augenblick anhielt, um das junge Pärchen aussteigen zu lassen. Der Fahrer drehte sich halb auf seinem Sitz um und warf mir einen freundlichen Blick zu. »Sie wollen nach Eyemouth, Mädchen, stimmt’s?«
    »Ja, stimmt.«
    Der Mann aus dem Moor hob eine Augenbraue, als er meinen Akzent hörte, und betrachtete mich flüchtig von der Seite. Einen kurzen Moment lang tauchte das strenge Gesicht

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