Die Geisterverschwoerung - Mara deckt auf
besten noch heute! Morgen Nachmittag beginnen die Ferien.«
»Hat er schon öfter so heftig reagiert?«, fragte Frau de Santis und deutete auf das Chaos.
»Nein, das war das erste Mal. Er mochte es wohl nicht, wie ich Klavier spiele.« Herr Winkelmann lachte unsicher. »Deshalb habe ich gedroht, das Instrument auf den Sperrmüll zu stellen.«
Der Geisterjunge probierte währenddessen eine neue Taktik: Er lieà wieder seinen bewährten Wind wehen. Der starke Luftzug brachte die Kerze zwar nicht zum Erlöschen â aber er kippte sie komplett um. Nun lag sie brennend auf der Seite, und das Wachs ergoss sich über den Klavierlack. Entsetzt hüpfte Robert um sein Werk herum.
»Alles ist gut«, beruhigte ihn die Frau mit warmer Stimme, nahm die Kerze und stellte sie auf ein Fensterbrett. Zurück am Klavier pustete sie auf die Wachsflecken. Als sie erkaltet waren, löste sie sie vorsichtig vom Lack, bis nichts mehr zu sehen war.
»Niemand wird dein Klavier beschädigen«, sagte sie in die Ferne gerichtet, während Robert ganz dicht neben ihr stand. Dann warf sie einen Blick auf ihr geheimnisvolles Gerät und wandte sich direkt zu Robert um â als hätte es ihr gezeigt, wo er sich befand. Konnte es so etwas geben?
»Dieser wunderbare Flügel ist natürlich viel zu wertvoll für den Sperrmüll. Das war nur ein Witz  ⦠nicht wahr?«
Herr Winkelmann zog die Stirn in Falten. »Ja, natürlich. Aber das heiÃt noch lange nicht  ⦠«
Frau de Santis legte ihre Hand sanft auf seinen gesunden Arm und Herr Winkelmann verstummte. »Vielleicht ist es besser, Sie überlassen alles Weitere mir. Der Junge scheint ein wenig Angst vor Ihnen zu haben.«
Skeptisch zog sich der Musiklehrer in eine Ecke zurück. Frau de Santis stöpselte währenddessen winzige Kopfhörer in ihr Gerät ein und steckte sich einen davon ins rechte Ohr. »Kannst du mir deinen Namen sagen, Geist?«
»Robert«, hauchte Robert nach kurzem Zögern.
»Du klingst sehr jung, Robert. Wie alt bist du?«
Mara hielt die Luft an. Die Frau hatte ein Gerät, mit dem man Geister hören konnte?
»Zwölf«, erwiderte der Junge.
» So jung!«, entfuhr es Frau de Santis und ihre Stimme war voller Mitleid. »Wann bist du denn gestorben?«
» 1919 . An der Spanischen Grippe.«
»Dann gibt es im Jenseits doch bestimmt jemanden, der auf dich wartet. Deine Eltern, GroÃeltern, Geschwister, Freunde? Was war der Grund, dass du noch nicht zu ihnen gegangen bist?«
Robert hob hilflos die Schultern und schwieg.
»Erinnere dich an sie! Vermisst du deine Eltern nicht?«
Glitzerte da eine Träne in Roberts Auge? Der Junge tat Mara nun doch leid. Sie hatte nicht gewusst, dass Geister weinen können.
»Ja, kann ich denn zu Mama und Papa?«, fragte Robert ungläubig.
Frau de Santis ging mit einem warmen Lächeln an ihm vorbei â sehen konnte sie ihn offenbar nicht â bis zur Kerze. »Solch ein Licht sieht man für gewöhnlich, wenn man stirbt. Es ist der Weg, der uns ins Jenseits führt. Zu den Menschen, die wir geliebt haben. Aber manchmal, wenn wir glauben, hier noch etwas erledigen zu müssen, erkennen wir das schwache Licht nicht. Oder wenn es etwas gibt, das wir über alles lieben. Bei dir  ⦠ist das die Musik, nicht wahr?«
Robert nickte, doch dann schien ihm einzufallen, dass sie das nicht sehen konnte. »Ja«, sagte er. »Besonders dieser Flügel. Meine Eltern konnten sich kein Klavier leisten, auch keine Ãbungsstunden. Mein Musiklehrer hat mir das Spielen nach dem Unterricht beigebracht. Er hielt mich für etwas Besonderes.«
»Auch ihn wirst du im Jenseits wiedersehen. Und willst du nicht endlich mal deinen Eltern vorspielen? Nach hundert Jahren, die du zum Ãben hattest, bist du bestimmt richtig gut. Nicht wahr? Ich bin sicher, dass sie unendlich stolz auf dich wären.«
Roberts Augen weiteten sich. »Gibt es denn ein Klavier dort?«
»Eins?« Die Frau in Schwarz lachte auf. »Das Jenseits ist ein Ort, wo nur noch Gefühle eine Rolle spielen, ein Ort voller Farben und Bilder. Dort wird dich alles umgeben, was du je geliebt hast. Vor allem die Musik.«
Ãber Roberts Lächeln liefen jetzt ganz dicke Tränen. »Und was muss ich tun, um dort hinzukommen?«
Frau de Santis wies mit dem Kinn zum Fensterbrett »Dies ist keine
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