Die Gejagte
Meinung nach tun?«, fragte er, aber Zach schüttelte verächtlich den Kopf.
»Nicht freiwillig gehen«, erwiderte er. »Nicht – dem da – nachgeben.«
Tom beobachtete das Ganze mit leerem Blick. Jenny konnte sich kaum dazu überwinden, ihn anzusehen. Aber sie tat es doch.
»Es tut mir leid, Tommy«, sagte sie. Sein Gesicht verzerrte sich leicht, und für einen schrecklichen Moment dachte sie, er würde weinen. Dann zuckte er die Achseln.
»Ich nehme an, es musste passieren. Darum ging es ja die ganze Zeit, nicht wahr?«, bemerkte er und sah Julian an.
Julian bedachte ihn mit einem seltsamen Lächeln, und Jenny dämmerte, dass sie über etwas redeten, das sie nicht
verstand. »Ich halte meine Versprechen ebenfalls«, sagte er. »Alle.«
Jenny berührte ihn am Ärmel. Als er sich zu ihr umdrehte, veränderte sich sein Gesicht, als habe er alles um sie herum vergessen.
»Die Zeremonie ist vollzogen«, erklärte er. »Wir sind einander versprochen.«
»Ich weiß.« Jenny stieß einen tiefen Atemzug aus. Sie spürte den Ring wie ein kleines Gewicht an ihrem Finger, aber sie fühlte sich sehr leicht, sehr frei. Sie sprach so gelassen, als organisiere sie ein Picknick oder ein Renovierungsprojekt. Etwas, das schnell und effizient erledigt werden musste.
»Lass die anderen jetzt gehen, Julian. Und ich möchte, dass du Tom ebenfalls gehen lässt – aber falls du das nicht tust, kannst du es ihm bitte bequemer machen? Ich denke, in einigen Tagen wirst du begreifen, dass du keine Geisel brauchst.«
Er sah ihr forschend ins Gesicht, als stiegen zum ersten Mal Zweifel in ihm auf. »Jenny – willst du wirklich hierbleiben? Es wird seltsam für dich sein …«
»Das ist die Untertreibung des Jahrhunderts.« Sie schaute zu ihm auf und sprach frei heraus. »Ich hoffe nur, dass wir bald eine andere Aussicht aus dem Salonfenster haben werden. Aber ja, ich will bleiben. Mir war nie bewusst, wie viel mehr das Leben zu bieten hat als das, was ich kannte. Und jetzt da ich es gesehen habe, kann ich nicht mehr zurück. Ich bin nicht mehr dieselbe Person wie zuvor.«
Er lächelte. »Nein. In weniger als zwölf Stunden hast du dich verändert. Du bist zu etwas geworden …«
Jenny zog die Augenbrauen hoch. »Zu was?«
»Das werde ich dir später erzählen. Ich werde mir viel Zeit dafür nehmen und ich werde es genießen.« Er drehte sich um.
»Ihr könnt alle gehen.« Jenny hörte, wie Toms Ketten klapperten und zu Boden fielen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass er die Hände hochhielt. Frei.
»Hinweg!«, sagte Julian mit einem Fingerschnippen. Für einen Moment dachte Jenny, er meine Dee und die anderen, aber dann senkte der Wolf den Kopf und schlich davon. Die glänzende Schlange wand sich in den Boden hinein. Irgendein Teil in Jennys Kopf registrierte voller Ehrfurcht, wie lange das dauerte, wie lang die Schlange war.
Die Tür nach Hause stand immer noch einen Spaltbreit offen, jetzt unbewacht. Aus diesem Winkel konnte Jenny die Rune Uruz darauf sehen, das umgedrehte U, das in einer feuerroten Macht erstrahlte.
Durch den Türspalt – und durch das kleine Fenster – strahlte ein intensives Mitternachtsblau. Jenny schaute auf die Standuhr, die immer noch tickte. Zehn vor sechs.
Die Dämmerung nahte.
»Geht«, befahl Julian, als brenne er darauf, sie loszuwerden.
»Nicht ohne Jenny«, sagte Dee.
Michael blickte Dee überrascht an und öffnete den
Mund. Zachs Lippen waren zu einer wütenden Linie verzogen. Audrey schüttelte zweifelnd den Kopf. Tom stand einfach nur da.
Jenny wandte den Blick ab.
Julians Stimme war ungeduldig. »Nun, geht, bleibt, tut, was immer ihr wollt«, sagte er. »Ich werde euch allein lassen, damit ihr es ausdiskutieren könnt. Aber vergesst nicht, diese Tür schließt sich bei Tagesanbruch. Um Punkt sechs Uhr elf. Wenn ihr dann noch im Haus seid, ist es für immer – aber ich werde vielleicht nicht in Stimmung für Gesellschaft sein.«
Er drehte sich zu Jenny um. »In diesem Haus sind definitiv zu viele Leute.«
»Ich weiß. Unten ist ein Sofa. Wir könnten uns darauf setzen und uns miteinander … vertraut machen.«
Sie gingen.
Das Sofa im Keller von Jennys Großvater war schäbig und bröckelig, aber breit und sehr weich. Es sackte unter ihrem Gewicht ein. Jenny fand es seltsam, einfach so neben Julian zu sitzen, ohne Feindseligkeit, ohne den Drang, sich zurückzuziehen. Ohne Kämpfe auszufechten.
Es war ein sehr privater Ort. Sie wusste, dass die anderen diese Tür
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