Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Maître Caroline Vibert, gegenüber etwas davon erwähnt …«
»Woher wissen Sie das alles?«, fragte Iris, verblüfft darüber, wie tief er in das Leben ihres Mannes eingedrungen war.
»Das ist meine Sache, Madame. Kurz und gut, ohne Ihnen etwas über unsere kleinen Tricks zu verraten, kann ich Ihnen versichern, dass es sich nicht um geschäftliche Termine handelt …«
»Haben Sie Fotos von dem Mann?«
»Ja«, antwortete er und zog einen Stoß Bilder aus einer Aktenmappe.
Er breitete sie vor Iris aus, und sie beugte sich mit klopfendem Herzen darüber. Der Mann war tatsächlich Anfang bis Mitte dreißig, mit kurzem mittelbraunem Haar, schmalen Lippen und einer Hornbrille. Weder attraktiv noch hässlich. Ein unauffälliger Mann. Sie suchte in ihrem Gedächtnis, musste jedoch zugeben, dass sie ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
»Ihr Mann hat ihm Bargeld gegeben, und sie haben sich mit einem Händedruck verabschiedet. Abgesehen von diesen beiden Treffen scheint sich das Leben Ihres Mannes ausschließlich um seine Arbeit zu drehen. Kein romantisches Treffen, kein flüchtiges Rendezvous,
kein Aufenthalt in einem Hotel … Möchten Sie, dass ich die Observierung fortsetze?«
»Ich wüsste gern, wer dieser Mann ist«, antwortete Iris.
»Ich bin dem Unbekannten nach den beiden Treffen gefolgt. Beim ersten Mal ist er gleich im Anschluss nach Basel geflogen, beim zweiten Mal nach London. Das ist alles, was ich herausfinden konnte. Ich könnte mehr über ihn in Erfahrung bringen, aber dazu wäre eine gründlichere und längere Observierung nötig … Ich müsste ihm ins Ausland folgen können. Das würde natürlich höhere Kosten mit sich bringen …«
»Er ist eigens nach Paris gekommen … um sich mit meinem Mann zu treffen«, dachte Iris laut nach.
»Ja, und das macht das Ganze so rätselhaft.«
»Aber bald ist Weihnachten. Mein Mann fährt mit uns ein paar Tage weg und …«
»Ich will Sie auf keinen Fall unter Druck setzen, Madame. Eine Observierung ist kostspielig. Vielleicht möchten Sie noch einmal in Ruhe darüber nachdenken und melden sich bei uns, falls Sie wünschen, dass wir uns weiter um die Angelegenheit kümmern.«
»Ja«, antwortete Iris gedankenverloren. »Das wäre wahrscheinlich das Beste.«
Eine Frage brannte ihr auf der Zunge, doch sie schreckte davor zurück, sie zu stellen. Sie zögerte. Trank einen Schluck Wasser.
»Ich wollte Sie noch fragen …«, setzte sie an. »Ich würde gerne wissen, ob … ob es Gesten gab … zwischen ihnen …«
»Gesten, die auf eine gewisse Vertrautheit zwischen ihnen schließen ließen?«
»Ja«, antwortete sie und schluckte. Sie schämte sich dafür, dass sie einem vollkommen Fremden ihre Zweifel offenbarte.
»Nicht eine … Aber ich kann mit Sicherheit sagen, dass sie einander kannten. Sie schienen ohne Umschweife miteinander zu reden und sofort auf den Punkt zu kommen. Jeder schien genau zu wissen, was er vom anderen erwartete.«
»Aber warum gibt mein Mann ihm denn Geld?«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, Madame. Um das herauszufinden, brauche ich mehr Zeit.«
Iris schaute hoch zur Wanduhr. Viertel nach sechs. Sie würde nicht mehr erfahren. Mutlosigkeit ergriff sie. Sie war gleichzeitig enttäuscht und erleichtert darüber, nichts herausgefunden zu haben. Doch sie spürte, wie sich etwas Bedrohliches um sie herum zusammenbraute.
»Ich glaube, ich muss erst noch einmal über alles nachdenken«, sagte sie leise.
»Wie Sie wünschen, Madame. Ich stehe jederzeit zu Ihrer Verfügung. Wenn Sie die Sache weiterverfolgen möchten, rufen Sie einfach in unserem Büro an, dann werde ich Ihren Fall wieder aufnehmen.«
Er trank sein Glas aus, schnalzte ein paar Mal mit der Zunge, als schmeckte er einem guten Wein nach, wirkte zufrieden und fügte hinzu: »Bis dahin wünsche ich Ihnen schöne Feiertage und …«
»Vielen Dank«, fiel ihm Iris ins Wort, ohne ihn anzusehen. »Vielen Dank …«
Zerstreut reichte sie ihm die Hand und sah ihm nach, als er das Café verließ.
Am Abend zuvor war Philippe wieder in ihr gemeinsames Schlafzimmer zurückgekehrt.
»Ich glaube, Alexandre macht sich Sorgen«, hatte er nur gesagt, »es tut ihm nicht gut zu sehen, dass wir in getrennten Zimmern schlafen.«
Schweigen kann ein Zeichen für große Freude sein, die nicht die richtigen Worte findet. Manchmal ist es aber auch eine Möglichkeit, Verachtung auszudrücken. Und genau das hatte Iris am Abend zuvor gespürt. Philippes Verachtung. Zum ersten
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