Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Mal in ihrem Leben.
Sie sah, wie der karierte Hut um die Straßenecke bog, und dachte bei sich, dass sie um jeden Preis die Achtung ihres Mannes wiedergewinnen musste.
Es war halb sieben, als Joséphine und Shirley den Friseursalon verließen. Shirley packte Jo am Arm und zwang sie, sich im Schaufenster eines Conforama-Ladens zu betrachten, über dem ein großer roter Neonschriftzug mit dem Namen der Möbelhauskette prangte.
»Willst du, dass ich mir ein Bett oder einen Schrank kaufe?«, fragte Jo.
»Ich will, dass du siehst, wie hübsch du bist!«
Joséphine betrachtete ihr Spiegelbild in der Fensterscheibe und musste zugeben, dass sie nicht übel aussah. Die Friseurin hatte ihre Haare zu einem funkelnden Heiligenschein gestuft, der sie jünger wirken ließ. Sie dachte sofort an den Mann im Dufflecoat und dass er sie, falls er noch einmal in die Bibliothek käme, vielleicht zu einem Kaffee einladen würde.
»Du hattest recht … das war eine gute Idee. Ich gehe sonst nie zum Friseur. Das ist rausgeschmissenes Geld …«
Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, da bereute sie sie schon, denn sofort packte sie das Gespenst des fehlenden Geldes wieder bei der Kehle, und sie erschauerte.
»Und wie findest du mich?«, fragte Shirley, drehte sich im Kreis und tätschelte ihr platinblondes Haar.
Sie hatte den Kragen ihres langen Mantels hochgeschlagen, hob die Arme über den Kopf, legte die Hände zusammen, warf den Kopf in den Nacken und wirbelte wie eine anmutige, zerbrechliche Tänzerin herum.
»Ach, dich finde ich immer wunderschön. So schön, dass du alle Heiligen des Kalenders ins Verderben stürzen könntest«, antwortete Joséphine, um das Schreckbild des drohenden Ruins aus ihrem Kopf zu verbannen.
Shirley lachte und stimmte einen alten Song von Queen an, zu dem sie auf und ab hüpfte. »We are the champions, my friend, we are the champions of the world … We are the champions, we are the champions!« Sie begann auf der menschenleeren, von lang gestreckten, kalten, grauen Gebäuden gesäumten Straße zu tanzen. Sie sprang auf ihren langen Beinen hin und her, schwang die Hüften, tat so, als spielte sie auf einer E-Gitarre, und sang vor lauter Freude darüber, Joséphine verschönert zu haben.
»Von jetzt an spendiere ich dir einmal im Monat den Friseur.«
Eine eisige Windbö beendete ihre musikalische Einlage. Um sich aufzuwärmen, nahm sie Joséphines Arm. Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinander her. Es war dunkel, und die wenigen Fußgänger, denen sie begegneten, liefen blindlings vor sich hin, den Kopf gesenkt und darauf bedacht, möglichst schnell nach Hause zu kommen.
»Heute Abend kannst du ja gar nicht testen, wie du bei den Männern ankommst«, grummelte Shirley, »die schauen alle nur auf ihre Füße.«
»Glaubst du, der Mann im Dufflecoat wird mich anschauen?«, fragte Jo.
»Wenn er es nicht tut, hat er Tomaten auf den Augen.«
Ihr Tonfall war dabei so bestimmt, dass Joséphine vor Glück zu schweben glaubte. Kann es sein, dass ich tatsächlich hübsch geworden bin?, fragte sie sich und sah sich nach einem weiteren Schaufenster um, in dem sie sich bewundern könnte.
Sie drückte den Arm ihrer Freundin an sich. Und da sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben schön fühlte, wurde sie mutiger.
»Shirley… kann ich dich etwas fragen? Etwas Persönliches. Wenn du nicht darauf antworten willst, lass es einfach …«
»Frag erst mal.«
»Ich warne dich, es ist eine indiskrete Frage … Ich möchte nicht, dass du mir deswegen böse bist.«
»Ach, Joséphine, come on …«
»Na gut … Warum gibt es in deinem Leben keinen Mann?«
Kaum hatte Joséphine die Frage gestellt, bereute sie sie auch schon wieder. Mit einem Ruck zog Shirley den Arm weg, und ihre Miene verfinsterte sich. Sie machte einen Satz zur Seite und ging mit großen Schritten weiter, sodass Joséphine zurückblieb.
Sie musste rennen, um sie wieder einzuholen.
»Es tut mir leid, Shirley, wirklich furchtbar leid … Ich hätte nicht fragen sollen. Aber versteh mich doch, du bist so schön, und ich sehe dich immer allein … und da dachte ich …«
»Ich habe schon lange befürchtet, dass du mich das irgendwann fragen würdest.«
»Du musst mir nicht antworten, wirklich nicht.«
»Und ich werde auch nicht antworten! Einverstanden?«
»Einverstanden.«
Ein neuerlicher Windstoß fegte ihnen mitten ins Gesicht, und unwillkürlich beugten sie sich vor und klammerten sich aneinander.
»Ist das
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