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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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doch der hohe Ton erzeugte noch immer ein wechselndes Ausgabesignal. Es dauerte bis Generation 2800, ehe der Schaltkreis annähernd konstante und unterschiedliche Signale für die beiden Töne erzeugte, und erst in Generation 4100 wurden gelegentliche Schwankungen geglättet, worauf kaum noch weitere Evolution stattfand.
    Das seltsamste an der schließlich gefundenen Lösung war ihre Struktur. Kein menschlicher Ingenieur wäre jemals darauf gekommen. Überhaupt wäre kein menschlicher Ingenieur imstande gewesen, eine Lösung mit nur 100 logischen Zellen zu finden. Die Lösung eines menschlichen Ingenieurs wäre jedoch verständlich gewesen – wir könnten eine überzeugende ›Geschichte‹ erzählen, warum sie funktioniert. Zum Beispiel würde eine ›Uhr‹ dazu gehören – ein Schaltkreis, der mit konstanter Geschwindigkeit tickt. Damit wäre ein Maßstab gegeben, an dem man die anderen Frequenzen messen könnte. Aber mit 100 logischen Zellen kann man keine Uhr herstellen. Die evolutionäre Lösung kümmerte sich nicht um die Uhr. Statt dessen führte sie die Eingangssignale durch eine komplizierte Folge von Schleifen. Diese erzeugten vermutlich zeitverschobene und auch auf andere Weise bearbeitete Versionen des Signals, die schließlich zusammen die konstanten Outputs ergaben. Vermutlich. Thompson beschrieb die Funktionsweise so: »Ich habe wirklich nicht die geringste Ahnung, wie es funktioniert.«
    Erstaunlicherweise zeigten weitere Untersuchungen der Lösung, daß nur 32 von den 100 logischen Zellen wirklich benötigt wurden. Der Rest konnte aus dem Schaltkreis entfernt werden, ohne daß sich dessen Verhalten änderte. Anfangs sah es so aus, als könnten fünf andere logische Zellen entfernt werden – sie waren mit den übrigen nicht elektrisch verbunden, weder mit dem Input noch mit dem Output. Wenn sie jedoch entfernt wurden, funktionierte der Rest nicht mehr. Vermutlich reagierten diese Zellen auf andere physikalische Eigenschaften des restlichen Schaltkreises als auf elektrische Ströme – beispielsweise auf Magnetfelder. Wie dem auch sei, Thompsons Gespür, daß ein echter Siliziumschaltkreis mehr Tricks im Ärmel hätte als eine Computersimulation, erwies sich als absolut zutreffend.
    Die technische Rechtfertigung für Thompsons Arbeit ist die Möglichkeit, hocheffiziente Schaltkreise evolutionär zu entwickeln. Doch die Botschaft für die Grundlagen der Evolutionstheorie ist ebenfalls wichtig. Im Grunde besagt sie, daß die Evolution kein Narrativium benötigt. Eine durch Evolution entstandene Lösung kann ›funktionieren‹, ohne daß auch nur im geringsten klar wäre, wie sie das fertigbringt. Möglicherweise folgt sie keinem ›Konstruktionsprinzip‹, das für Menschen Sinn ergibt. Statt dessen kann sie der emergenten Logik des Ameisenlandes folgen, die in einer einfachen Geschichte nicht zu fassen ist.
    Natürlich kann die Evolution manchmal auf ›konstruierte‹ Lösungen stoßen, wie es beim Auge der Fall ist. Manchmal stößt sie auf Lösungen, die eine Handlung haben, aber wir wissen die Geschichte nicht zu würdigen. Stabinsekten sehen wie Zweige aus und ihre Eier wie Samenkörner. Das hat eine Art Scheibenwelt-Logik, denn Samenkörner sind die ›Eier‹ von Zweigen, und ehe sich die Evolutionstheorie durchsetzte, billigten die Menschen des viktorianischen Zeitalters diese ›Logik‹, denn es sah danach aus, als sei Gott konsequent. Die ersten Verfechter der Evolutionstheorie sahen das anders und machten sich deswegen Sorgen, doch noch viel größere Sorgen machten sie sich, als sich herausstellte, daß die Eier mancher Stabinsekten wie kleine Schnecken aussehen. Es schien töricht zu sein, daß irgend etwas so ähnlich wie die Lieblingsnahrung von so ziemlich allen anderen aussehen sollte. Im Grunde schien es der Evolutionstheorie geradezu zu widersprechen. Das Rätsel wurde erst 1994 nach Waldbränden in Australien gelöst. Als neue Pflanzenschößlinge aus der Asche sprossen, waren sie von kleinen Stabinsekten bedeckt. Ameisen hatten die ›Samen‹ und die ›kleinen Schnecken‹ in ihre unterirdischen Nester getragen, weil sie sie für das hielten, wonach sie aussahen. Sicher im Untergrund hatten die Eier der Stabinsekten das Feuer überstanden. Tatsächlich sehen junge Stabinsekten Ameisen sehr ähnlich und laufen auch so; das hätte ein Schlüssel zur Lösung sein müssen, doch niemand stellte die gedankliche Verbindung her.
    Und manchmal hat die Lösung der Evolution

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