Die Gelehrten der Scheibenwelt
Weise organisiert ist. Die DNS erledigt einen Großteil der Routine-Buchhaltung, die dafür sorgt, daß Lebewesen organisiert bleiben . Jede Zelle von (fast) jedem lebenden Organismus enthält dessen ›Genom‹ – eine Art in der DNS codierte Botschaft, die diesem Organismus eine Menge Hinweise gibt, wie er sich auf molekularer Ebene verhalten soll. (Ausnahmen sind verschiedene Viren an der Grenze von Leben und Nichtleben, die einen etwas anderen Code verwenden.)
Aus diesem Grund war es möglich, das Schaf Dolly zu klonen – eine gewöhnliche Zelle von einem erwachsenen Schaf zu nehmen und daraus ein anderes Schaf wachsen zu lassen. Der Trick erfordert eigentlich drei erwachsene Schafe. Erstens das, von dem man die Zelle nimmt; nennen wir es ›Dollys Mutter‹. Dann bringt man den Zellkern dazu, daß er vergißt, von einem erwachsenen Schaf zu stammen, und statt dessen glaubt, er sei wieder im Ei, und dann implantiert man ihn in eine Eizelle eines zweiten Schafs (›Eispenderin‹). Dann bringt man die Eizelle in die Gebärmutter eines dritten Schafes (›Leihmutter‹), damit sie zu einem normalen Lamm heranwachsen kann.
Es wird oft behauptet, Dolly sei eine exakte Kopie von Dollys Mutter, doch das ist nicht ganz wahr. Zunächst einmal stammen gewisse Teile von Dollys DNS nicht von Dollys Mutter, sondern von der Eispenderin. Und selbst wenn dieser geringfügige Unterschied angeglichen wäre, könnte sich Dolly immer noch in vielerlei Hinsicht von ihrer ›Mutter‹ unterscheiden, denn die Schaf-DNS ist keine vollständige Liste von Anweisungen, »wie man ein Schaf baut«. Die DNS ähnelt eher einem Kochrezept – und sie geht davon aus, daß man schon weiß, wie man seine Küche vorbereitet. Das Rezept sagt also beispielsweise nicht: »Bringe die Mixtur in eine gefettete Pfanne und stelle sie bei 200 °C in die Backröhre«, sondern sie sagt: »Stell die Mixtur in die Backröhre« und setzt voraus, daß man weiß, daß sie in eine Pfanne gehört und daß die Backröhre auf eine Standardtemperatur eingestellt sein muß. Insbesondere fehlt in der Schaf-DNS die ganz entscheidende Anweisung »Bring die Mixtur in ein Schaf«, doch das ist (bisher) der einzige Ort, wo man aus einer befruchteten Schafs-Eizelle ein Lamm machen kann. Also entschied auch die Leihmutter in erheblichem Maße darüber, was geschah, als das DNS-Rezept für Dolly ›ausgeführt‹ wurde.
Viele Biologen glauben, dies sei ein unwesentlicher Einwand – immerhin funktionieren Eispenderin und Leihmutter auf die ihnen gemäße Art, weil ihre DNS die Informationen enthält, die sie dazu veranlassen. Doch Dinge, die sich bei keinem Organismus in der DNS befinden, können für den Fortpflanzungszyklus wesentlich sein. Ein gutes Beispiel bietet Hefe, eine Pflanze, die Zucker in Alkohol umwandeln und Kohlendioxid abgeben kann. Der gesamte DNS-Code einer Hefeart ist jetzt bekannt. Tausende von Experimentatoren haben mit der Hefe genetische Spiele gespielt, dann die kleinen Dinger in einer Zentrifuge herumgewirbelt, um die DNS auszusondern, aus der man den Code bestimmen kann. Wenn man das tut, bleibt am Boden des Reagenzglases ein schleimiger Rückstand, aber da das keine DNS ist, weiß man, daß er für die Genetik nicht wichtig sein kann, und wirft ihn weg. Und das taten sie alle, bis 1997 ein Genetiker die dumme Frage stellte: Wenn es keine DNS ist, wozu dient es dann? Was ist eigentlich in diesem schleimigen Rückstand?
Die Antwort war einfach und verblüffend. Prionen. In Massen.
Ein Prion ist ein ziemlich kleines Proteinmolekül, das als Katalysator für die Bildung weiterer ihm gleichender Proteinmoleküle wirken kann. Anders als die DNS tut es das nicht durch Replikation. Vielmehr benötigt es als Ausgangsstoff Proteine, die ihm fast gleich sind, aber nicht ganz – die richtigen Atome in der richtigen Anordnung, aber in der falschen Form gefaltet. Das Prion hängt sich an solch ein Protein, wendet es ein bißchen hin und her und stupst es in dieselbe Form wie das Prion. Also hat man jetzt mehr Prionen, und der Vorgang beschleunigt sich.
Prionen sind molekulare Prediger: Sie vermehren sich, indem sie die Heiden bekehren, nicht indem sie sich in identische Zwillinge teilen. Das bekannteste Prion ist jenes, das angeblich BSE verursacht, ›Rinderwahnsinn‹. Das Protein, welches ›bekehrt‹ wird, ist ausgerechnet ein entscheidender Bestandteil im Gehirn einer Kuh, darum verlieren infizierte Kühe die Koordination, stolpern mit Schaum vorm
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