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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Maul herum und wirken verrückt. Wozu braucht Hefe Prionen? Ohne Prionen kann sich Hefe nicht fortpflanzen. Die Anweisungen zur Herstellung von Proteinen in ihrer DNS erzeugen manchmal ein Protein, das in der falschen Form gefaltet ist. Wenn sich eine Hefezelle teilt, kopiert sie ihre DNS auf beide Hälften, aber die Prionen werden aufgeteilt. (Sie können ergänzt werden, indem sie andere Proteine umformen.) Hier haben wir also einen Fall, wo sogar auf molekularer Ebene die DNS eines Organismus nicht alles an diesem Organismus festlegt.
    Vieles am Codesystem der DNS verstehen wir nicht, aber ein Teil, den wir tatsächlich verstehen, ist der ›genetische Code‹. Manche Abschnitte der DNS sind Rezepte für Proteine. Eigentlich sind sie beinahe exakte Blaupausen für Proteine, da sie die genauen Bestandteile des Proteins verzeichnen, und zwar in exakt der richtigen Reihenfolge. Proteine bestehen aus einer Auswahl aus einem Katalog ziemlich kleiner Moleküle namens Aminosäuren. Bei den meisten Organismen, darunter den Menschen, umfaßt der Katalog exakt 22 Aminosäuren. Wenn man viele Aminosäuren aneinanderreiht und sie sich zu einem ziemlich komplexen Knoten zusammenfalten läßt, bekommt man ein Protein. Was die DNS nicht verzeichnet, ist die Anleitung, wie das entstehende Molekül gefaltet werden soll, doch für gewöhnlich faltet es sich von selbst in der richtigen Weise. Wenn es das gelegentlich nicht tut, gibt es Dienstmoleküle, die es in die richtige Form stupsen. Gerade während wir dies schreiben, sorgt solch ein Dienstmolekül namens HSP90 für Aufruhr in der Molekulargenetik. HSP90 ›besteht darauf‹, daß sich Proteine in der orthodoxen Form falten, selbst wenn es in der DNS, in der diese Proteine kodiert sind, ein paar Mutationen gibt. Wenn der Organismus ›unter Streß steht‹ und HSP90 für andere Aufgaben einsetzt, treten diese verborgenen Mutationen plötzlich hervor – die Proteine nehmen die unorthodoxe Form an, die ihren mutierten DNS-Codes entspricht. Im Grunde bedeutet das, daß man genetische Veränderungen mit nichtgenetischen Mitteln auslösen kann.
    Abschnitte der DNS, in denen normal funktionierende Proteine codiert sind, werden Gene genannt. Den übrigen Abschnitten wurde eine Anzahl verschiedener Namen verpaßt. In manchen von ihnen sind Proteine codiert, die steuern, wann sich ein bestimmtes Gen ›einschaltet‹, das heißt, mit der Herstellung von Proteinen beginnt; diese werden regulatorische (oder homöotische) Gene genannt. Manche Teile werden salopp ›Müll-DNS‹ genannt, ein wissenschaftlicher Begriff, der bedeutet: »Wir wissen nicht, wozu sie dienen.« Manche Wissenschaftler mit einer Neigung, alles wörtlich zu nehmen, verstehen darunter »sie dienen zu nichts« und schirren so das Pferd der Natur hübsch ordentlich hinten am Wagen des menschlichen Verständnisses an. Höchstwahrscheinlich sind jene Teile ein Gemisch verschiedener Dinge: DNS, die in früheren Zeiten der Evolution einmal eine Funktion hatte, jetzt aber keine mehr hat (und die womöglich reaktiviert werden könnte, wenn beispielsweise ein Parasit längst vergangener Zeiten wieder auftauchte); DNS, die steuert, wie Gene ihre Proteinherstellung ein- und ausschalten; DNS, die wiederum diese steuert, und so weiter. Manches davon ist vielleicht tatsächlich Müll. Und in manchem (wie es in dem Witz heißt) könnte eine Botschaft in der Art codiert sein: »Ich war das, ich bin Gott, es hat mich die ganze Zeit gegeben, ha ha!«
    Evolutionsprozesse laufen nicht in Bahnen ab, die Menschen ohne weiteres erfassen können. Das heißt nicht, daß Darwin unrecht gehabt hätte; es heißt, daß sogar, wenn er recht hat, ein überraschender Mangel an Narrativium bestehen kann, so daß eine ›Geschichte‹, die für die Evolution durchaus Sinn hat, für Menschen keinen Sinn hat. Wir vermuten, daß vieles von dem, was man in lebenden Organismen findet, von der Art ist – daß es in jedem Stadium seiner Evolution einen kleinen Vorteil bietet, doch einen Vorteil in einem derart komplexen Spiel, daß wir keine überzeugende Geschichte erzählen können, wieso es ein Vorteil ist. Um zu zeigen, wie bizarr Evolutionsprozesse sogar unter vergleichsweise einfachen Umständen sein können, brauchen wir keine Tiere oder Pflanzen zu betrachten, sondern nur elektronische Schaltkreise.
    Seit 1993 läßt ein Ingenieur namens Adrian Thompson eine Evolution von Schaltkreisen stattfinden. Die grundlegende Technik, bekannt als

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