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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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›genetische Algorithmen‹, wird in der Computerwissenschaft vielfach angewandt. Ein Algorithmus ist ein spezifisches Programm oder Rezept zur Lösung eines gegebenen Problems. Eine Methode, Algorithmen für wirklich schwierige Probleme zu finden, ist, sie miteinander zu ›kreuzen‹ und die natürliche Auslese einzusetzen. Mit ›kreuzen‹ meinen wir, Teile eines Algorithmus mit Teilen eines anderen zu vermischen. Biologen nennen das ›Rekombination‹, und jeder geschlechtliche Organismus – wie unsereins – rekombiniert die Chromosomen seiner Eltern auf diese Weise. Solch eine Technik – oder ihr Ergebnis – wird als genetischer Algorithmus bezeichnet. Wenn die Methode funktioniert, funktioniert sie blendend; der größte Nachteil liegt darin, daß man nicht immer vernünftig erklären kann, wie der entstandene Algorithmus das fertigbringt. Gleich mehr davon – zunächst müssen wir ein paar Worte zur Elektronik sagen.
    Thompson fragte sich, was wohl geschähe, wenn man die Methode genetischer Algorithmen auf einen elektronischen Schaltkreis anwenden würde. Man legt eine Aufgabe fest, kreuzt zufällig Schaltkreise, die sie erfüllen könnten oder auch nicht, behält diejenigen, die bessere Ergebnisse als die anderen bringen, und wiederholt das über so viele Generationen wie nötig.
    Die meisten Elektronikingenieure kommen beim Nachdenken über solch ein Vorhaben rasch darauf, daß es albern ist, wirkliche Schaltkreise zu verwenden. Statt dessen kann man die Schaltkreise in einem Computer simulieren (da man genau weiß, wie sich ein Schaltkreis verhält) und die ganze Sache als Simulation schneller und billiger durchführen. Thompson mißtraute jedoch dieser Argumentation: vielleicht ›wußten‹ wirkliche Schaltkreise etwas, was in der Simulation verloren ginge.
    Er legte eine Aufgabe fest: zwischen zwei Eingabe-Signalen von unterschiedlicher Frequenz zu unterscheiden, 1 Kilohertz und 10 Kilohertz – also zwischen Signalen mit 1000 bzw. 10 000 Schwingungen pro Sekunde. Man kann sie sich als Klang vorstellen: ein tiefer und ein hoher Ton. Der Schaltkreis sollte den Ton als Eingabe-Signal (Input) aufnehmen, ihn auf eine Weise verarbeiten, die von seiner jeweiligen Struktur bestimmt würde, und ein Ausgabe-Signal (Output) erzeugen. Bei dem hohen Ton sollte der Schaltkreis konstant null Volt ausgeben – also überhaupt keinen Output – und für den tiefen Ton konstant 5 Volt. (Eigentlich waren diese Eigenschaften anfangs nicht festgelegt, zwei beliebige unterschiedliche Ausgabesignale hätten genügt. Aber am Ende ergaben sich die null bzw. fünf Volt.)
    Es würde ewig dauern, Tausende von Versuchs-Schaltkreisen von Hand zu bauen, also verwendete Thompson ein ›field-programmable gate array‹. Das ist ein Mikrochip, der eine Anzahl von Gattern enthält, sehr kleinen transistorisierten ›logischen Zellen‹ – von mäßig intelligenten Schaltern sozusagen –, deren Verbindungen verändert werden können, indem man neue Anweisungen in den Konfigurationsspeicher des Chips lädt.
    Diese Anweisungen sind analog zum DNS-Code eines Organismus und können gekreuzt werden. Und das tat Thompson. Er begann mit einem Array von einhundert logischen Zellen und verwendete einen Computer, um eine Population von fünfzig Anweisungs-Codes zufällig zu erzeugen. Der Computer lud jede Anordnung in das Array, gab die beiden Töne ein, betrachtete die Ausgabesignale und versuchte eine Eigenschaft zu finden, die für die Entwicklung eines anständigen Schaltkreises nützlich sein könnte. Zunächst war das alles, was nicht absolut zufällig aussah. Der ›tüchtigste‹ Schaltkreis der ersten Generation erzeugte einen konstanten Output von fünf Volt, gleichgültig, welcher Ton eingegeben wurde. Die am wenigsten tüchtigen Anweisungscodes wurden dann ausgemerzt (gelöscht), die tüchtigen wurden gezüchtet (kopiert und rekombiniert), und der Vorgang wurde wiederholt.
    Das interessanteste an dem Experiment sind nicht die Einzelheiten, sondern die Art, wie das System auf eine Lösung kam – und die bemerkenswerte Art dieser Lösung. In der 220. Generation erzeugte der tüchtigste Schaltkreis Outputs, die den Inputs ziemlich ähnlich waren, zwei Wellenformen unterschiedlicher Frequenz. Derselbe Effekt wäre auch ganz ohne Schaltkreis zu erzeugen gewesen, nur mit einem blanken Draht! Die gewünschten konstanten Ausgabesignale waren noch nicht abzusehen.
    In der 650. Generation war der Output für den tiefen Ton konstant,

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