Die Gelehrten der Scheibenwelt
Wissenschaftler im viktorianischen Zeitalter, daß die Erde einmal viel kälter als jetzt gewesen war, denn sie konnten die Indizien ringsum in Gestalt der Talformen sehen. In vielen Teilen der Welt findet man heute Gletscher – gewaltige »Ströme« von Eis, die sehr langsam unter dem Druck von neuem Eis fließen, das sich weiter oben bildet. Gletscher führen große Mengen Gestein mit sich, und sie pressen und schaben sich ihren Weg, bilden dabei Täler, deren Querschnitt wie ein flaches U geformt ist. Überall in Europa, überhaupt in vielen Teilen der Welt gibt es solche Täler – aber keine Spur von Eis im Umkreis von Hunderten oder Tausenden von Kilometern. Die viktorianischen Geologen setzten ein Bild zusammen, das in mancher Hinsicht etwas Sorgen bereitete, insgesamt aber beruhigend war. Vor etwa 1,6 Millionen Jahren, zu Beginn des Pleistozäns, wurde die Erde plötzlich kälter. Infolge von sich rasch ansammelndem Schnee rückten die Eiskappen an den Polen vor und schürften jene U-förmigen Täler aus. Dann zog sich das Eis wieder zurück. Insgesamt viermal, glaubte man, war das Eis vorgerückt und zurückgewichen, wobei ein Großteil von Europa unter einer mehrere Kilometer dicken Eisschicht begraben war.
Trotzdem brauchte man sich keine Sorgen zu machen, sagten die Geologen. Wir schienen uns schön sicher in der Mitte einer Warmzeit zu befinden, ohne Aussicht, in absehbarer Zeit unter kilometerdickem Eis begraben zu werden …
Das Bild ist nicht mehr so anheimelnd. Manche Leute glauben sogar, die größte Gefahr für die Menschheit sei nicht die globale Erwärmung, sondern eine nahe bevorstehende Eiszeit. Wie ironisch und wie unverdient, wenn unsere Umweltverschmutzung eine Naturkatastrophe verhindern sollte!
Wie üblich liegt der Hauptgrund, weshalb wir jetzt viel mehr wissen, in der Tatsache, daß neue Beobachtungsmethoden möglich geworden sind, dazu neue Theorien, die erklären, was da gemessen wird und warum wir uns dessen ziemlich sicher sein können. Diese neuen Methoden reichen von klugen Datierungsverfahren für alte Gesteine bis zu Untersuchungen der Proportionen verschiedener Isotope in Bohrkernen aus sehr altem Eis, ergänzt durch Ozeanbohrungen, die die am Meeresgrund abgelagerten Sedimentschichten untersuchen. Warme Meere ermöglichen anderen Wesen Leben, die bei ihrem Tod andere Sedimente ablagern, so daß eine Beziehung zwischen Sediment und Klima besteht.
Alle diese Methoden stützen einander und führen ziemlich übereinstimmend zum selben Bild. Immer wieder einmal kühlt sich die Erde ab; dabei wird sie an den Polen 10 °C bis 15 °C kälter und 5 °C anderswo. Dann erwärmt sie sich plötzlich und wird möglicherweise 5 °C wärmer als gegenwärtig. Zwischen den großen Schwankungen gibt es kleinere – ›Mini-Eiszeiten‹. Die typische Lücke zwischen einer ordentlichen Eiszeit und der nächsten beträgt rund 75 000 Jahre, oft weniger – nichts von den tröstlichen 400 000 Jahren, wie sie die viktorianischen Gelehrten erwarteten. Am beunruhigendsten ist die Entdeckung, daß Perioden von hoher Temperatur – das heißt, wie wir sie jetzt haben – selten länger als 20 000 Jahre dauerten.
Die letzte große Vereisung endete vor 18 000 Jahren.
Zieht euch warm an, Leute.
Was verursachte die Eiszeiten? Wie sich zeigt, ist die Erde ein nicht ganz so netter Planet, wie wir gern denken, und ihre Bahn um die Sonne ist nicht ganz so stabil und immer wieder dieselbe, wie wir für gewöhnlich annehmen. Die gegenwärtig anerkannte Theorie wurde 1920 von einem Serben namens Milutin Milankoviˆc (Milankovitch) entwickelt. Allgemein gesprochen, läuft die Erde in einer fast kreisförmigen Ellipse um die Sonne, doch es gibt drei Dinge bei der Erdbewegung, die sich verändern. Das eine ist der Neigungswinkel der Erdachse – er beträgt gegenwärtig etwa 23°, schwankt aber leicht in einem Zyklus von rund 41 000 Jahren. Zweites ändert sich der Ort, wo die Erde der Sonne am nächsten kommt, in einem Zyklus von 20 000 Jahren. Die dritte Veränderung betrifft die Exzentrizität der Erdumlaufbahn – wie langgestreckt die Ellipse ist – und hat eine Periode von annähernd 100 000 Jahren. Wenn man alle drei Zyklen zusammennimmt, kann man die Änderung der Wärmemenge berechnen, die die Erde von der Sonne empfängt. Diese Berechnungen stimmen mit den bekannten Temperaturschwankungen der Erde überein, insbesondere ist es wahrscheinlich, daß die Erwärmung der Erde nach Eiszeiten auf
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