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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Bereich derselben Zehntelsekunde fallen. In Abständen von einer Tausendstelsekunde kommen dann nur hundert mögliche Zeiten in Frage: Diese Liste legt den Stichprobenraum fest. Die Wahrscheinlichkeit der Übereinstimmung ergibt sich als eins zu zehntausend. Das ist unwahrscheinlich genug, um aufzufallen, aber nicht so unwahrscheinlich, daß wir uns wundern müßten.
    Schätzungen dieser Art helfen einem, erstaunliche Zufälle zu bewerten, wie sie in den Zeitungen gemeldet werden, etwa wenn ein Bridgespieler ein ›perfektes Blatt‹ bekommt – alle dreizehn Karten einer Farbe. Die Anzahl der Bridge-Partien, die weltweit jede Woche gespielt werden, ist riesig – so groß, daß alle paar Wochen die tatsächlich eintretenden Ereignisse den gesamten Stichprobenraum ausfüllen. Also tritt hin und wieder ein perfektes Blatt auf – mit der Häufigkeit, wie es angesichts ihrer geringen, aber von Null verschiedenen Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die Wahrscheinlichkeit, daß alle vier Spieler gleichzeitig ein perfektes Blatt bekommen, ist jedoch so winzig, daß selbst dann, wenn jeder Planet in der Galaxis eine Milliarde Bewohner hätte, die eine Milliarde Jahre lang Tag für Tag Bridge spielen würden, nicht damit zu rechnen wäre.
    Trotzdem berichten die Zeitungen immer wieder einmal von einem vierfach perfekten Blatt. Die vernünftige Schlußfolgerung lautet nicht, daß ein Wunder geschehen ist, sondern daß etwas die Wahrscheinlichkeiten verändert hat. Vielleicht hatten die Spieler beinahe ein vierfach perfektes Blatt bekommen, beim Weitererzählen wurde es immer perfekter, und als dann der Journalist mit seinem Fotografen eintraf, sorgte wieder eine Art narrativer Imperativ dafür, daß ihre Geschichte zu dem paßte, was der Journalist gehört hatte. Vielleicht hatten sie vorsätzlich gemogelt, um in die Zeitung zu kommen. Insbesondere Wissenschaftler unterschätzen gern die Neigung der Leute zum Lügen . So mancher Wissenschaftler hat sich zum Narren halten lassen und vermeintliche Beweise für außersinnliche Wahrnehmung oder andere ›übernatürliche‹ Vorgänge akzeptiert, die sich in Wahrheit auf raffinierte Tricks zurückführen lassen.
    Viele andere scheinbare Übereinstimmungen rutschen bei genauerer Untersuchung in eine Grauzone, wo Fälschungen stark anzunehmen sind, sich aber womöglich niemals nachweisen lassen – sei es weil hinreichende Beweise nicht beizubringen sind, sei es weil es die Mühe nicht lohnt. Eine andere Weise, wie man sich in bezug auf Übereinstimmungen täuschen kann, sind verborgene Zusatzbedingungen, die den Stichprobenraum einschränken. Das ›perfekte Blatt‹ läßt sich vielleicht mit der Art erklären, wie Bridgespieler oft die Karten mischen und die in einem Wort zusammengefaßt werden kann: mäßig. Wenn ein Spiel Karten so angeordnet ist, daß die obersten vier Karten je eine von jeder Farbe sind und darunter immer jede vierte Karte dieselbe Farbe hat, dann kann man abheben (allerdings nicht mischen), solange man will, und man bekommt immer ein vierfach perfektes Blatt. Zum Ende eines Spiels liegen die Karten ziemlich sortiert auf dem Tisch, nicht zufällig verteilt – also ist es nicht verwunderlich, wenn sie beim Aufnehmen eine gewisse Struktur haben.
    Selbst mit einem mathematisch zahmen Beispiel wie Bridge ist also der ›richtige‹ Stichprobenraum nicht ohne weiteres zu ermitteln. Der tatsächliche Stichprobenraum umfaßt ›Kartenstapel von der Art, wie sie Bridgespieler nach Ende des Spiels gewohnheitsmäßig zusammennehmen‹, nicht ›alle möglichen Kartenstapel‹. Das verändert die Chancen.
    Leider neigen Statistiker dazu, mit dem ›offensichtlichen‹ Stichprobenraum zu arbeiten. In der Frage der israelischen Jagdpiloten würden sie natürlich annehmen, der Stichprobenraum seien alle Kinder israelischer Jagdpiloten. Doch das kann durchaus falsch sein, wie die nächste Geschichte illustriert.
    Der skandinavischen Folklore zufolge stritt sich König Olaf von Norwegen mit dem König von Schweden um den Besitz einer Insel, und sie vereinbarten, darum zu würfeln: zwei Würfel, die höchste Summe gewinnt. Der Schwedenkönig warf einen Sechserpasch. »Du kannst gleich aufgeben«, erklärte er triumphierend. Unbeirrt warf Olaf die Würfel … Der eine zeigte eine Sechs … der andere brach mittendurch, so daß eine Seite eine Sechs und die andere eine Eins zeigte. »Dreizehn, ich habe gewonnen«, sagte Olaf.* [ * Wahrscheinlich hielt er damals eine große

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