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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Axt in der Hand. ]
    Etwas ähnliches geschieht in Die Farben der Magie, wo mehrere Götter würfeln, um über bestimmte Ereignisse auf der Scheibenwelt zu entscheiden:
    Die Lady nickte knapp, griff nach dem Becher und hielt ihn völlig ruhig. Trotzdem hörten die anderen Götter, wie sich die Würfel darin bewegten. Kurz darauf klackten sie über den Tisch.
    Eine Sechs. Eine Drei. Und eine Fünf.
    Doch mit der Fünf geschah etwas. Der entsprechende Würfel erzitterte unter der Wucht eines zufälligen Zusammenstoßes mit mehreren Milliarden Molekülen, drehte sich auf der einen Kante, neigte sich zur Seite – und zeigte eine Sieben.
    Der Blinde Io griff danach und zählte die Seiten.
    »Ich bitte dich«, sagte er verärgert. »Mogeln ist verboten.«
    Der Stichprobenraum der Natur ist oft größer, als ein herkömmlicher Statistiker erwarten dürfte. Stichprobenräume sind eine menschliche Methode, ein Modell der Wirklichkeit zu entwerfen – sie erfassen sie nicht vollständig. Und wenn es darum geht abzuschätzen, was signifikant ist, kann eine andere Wahl des Stichprobenraumes unsere Bewertungen von Wahrscheinlichkeiten völlig verändern. Der Grund dafür ist ein außerordentlich wichtiger Faktor: ›selektive Berichterstattung‹, was eine Art Narrativium in Aktion ist. Dieser Faktor wird in den meisten herkömmlichen Statistiken vernachlässigt. Das perfekte Blatt beim Bridge beispielsweise kommt viel wahrscheinlicher in die lokale oder auch die Landespresse als ein nicht perfektes. Wie oft lesen Sie beispielsweise die Schlagzeile » BRIDGESPIELER ERHÄLT GANZ GEWÖHNLICHES BLATT« ? Das menschliche Gehirn ist eine Vorrichtung, die sich nicht daran hindern läßt, nach Mustern zu suchen, und es hält sich an bestimmte Ereignisse, die es für wesentlich hält, einerlei, ob sie es wirklich sind oder nicht. Dabei übersieht es alle ›Nachbarereignisse‹, die ihm bei der Einschätzung helfen könnten, wie wahrscheinlich oder unwahrscheinlich die wahrgenommene Übereinstimmung tatsächlich ist.
    Die selektive Berichterstattung betrifft auch die Bedeutung jener Formel-1-Zeiten. Wenn es nicht diese gewesen wären, dann hätten vielleicht die Tennisergebnisse im US Open ein ungewöhnliches Muster enthalten – oder die Ergebnisse beim Football oder beim Golf … Auch diese wären gemeldet worden, doch keine der ausgebliebenen Übereinstimmungen, die sich nicht ereigneten, wäre in die Schlagzeilen gekommen. FORMEL-1-FAHRER MIT UNTERSCHIEDLICHEN RUNDENZEITEN … Wenn wir nur zehn wichtige Sportereignisse in unsere Liste von ausgebliebenen Übereinstimmungen aufnehmen, wird aus jener Wahrscheinlichkeit von eins zu zehntausend nur noch eins zu tausend.
    Nachdem wir das verstanden haben, wollen wir uns wieder des israelischen Jagdpiloten zuwenden. Herkömmliche Statistiken würden den offensichtlichen Stichprobenraum annehmen, die Wahrscheinlichkeiten für Jungen und Mädchen zuordnen und die Chance errechnen, rein zufällig 84% Mädchen zu bekommen. Wenn diese kleiner als eins von hundert wäre, dann würden die Daten beispielsweise für ›signifikant auf einem Niveau von 99%‹ erklärt. Doch diese Analyse läßt die selektive Berichterstattung außer acht. Warum haben wir überhaupt das Geschlecht der Kinder von israelischen Jagdpiloten betrachtet? Weil die Häufung schon unsere Aufmerksamkeit erregt hatte. Wenn dagegen die Häufung bei der Größe von Kindern der Arbeiter in israelischen Flugzeugwerften oder bei den musikalischen Talenten der Ehefrauen israelischer Fluglotsen aufgetreten wäre, hätte unser nach Mustern suchendes Gehirn abermals unsere Aufmerksamkeit auf diese Tatsache gelenkt. Also schließt unsere Verarbeitung des Signifikanzniveaus stillschweigend viele andere Faktoren aus, die keine Häufung bildeten – und macht es dadurch unzutreffend.
    Das menschliche Gehirn filtert große Datenmengen und sucht dabei nach Dingen, die ungewöhnlich wirken, und erst dann sendet es ein bewußtes Signal aus: He! Sieh dir das an! Je weiter wir unser Netz zur Mustersuche auswerfen, um so wahrscheinlicher ist es, daß wir auf eine Häufung stoßen. Aus diesem Grund ist es unzulässig, die Daten, die unsere Aufmerksamkeit auf die Häufung gelenkt haben, als Teil des Beweises zu verwenden, die Häufung sei ungewöhnlich. Es wäre so, als durchsuche man ein Kartenspiel, bis man das Pik-As findet, lege dieses auf den Tisch und behaupte dann, über rätselhafte Kräfte zu verfügen, die unfehlbar eine Auswahl treffen,

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