Die Gelehrten der Scheibenwelt
deren Wahrscheinlichkeit eins zu 52 ist.
Ebendieser Fehler ist bei frühen Experimenten bei außersinnlicher Wahrnehmung gemacht worden. Tausende von Probanden wurden gebeten, Karten aus einem besonderen Satz von fünf Symbolen zu erraten. Jeder, dessen Erfolgsrate über dem Durchschnitt lag, wurde erneut eingeladen, während die übrigen nach Hause geschickt wurden. Nachdem das etliche Wochen so gegangen war, konnten alle ›Überlebenden‹ auf eine erstaunliche Erfolgsserie zurückblicken! Dann wurden diese ›guten Rater‹ noch weiter getestet. Seltsamerweise sank ihre Erfolgsrate im Laufe der Zeit allmählich auf den Durchschnitt, als ob ihre Kräfte ›versiegt wären‹. In Wahrheit war daran überhaupt nichts Seltsames. Es ergab sich so, weil die ursprünglichen hohen Werte in die Gesamtrechnung einbezogen wurden. Hätte man sie außer acht gelassen, wäre die Erfolgsrate sofort auf ungefähr den Durchschnitt gesunken.
Ebenso ist es mit den Jagdpiloten. Die merkwürdigen Zahlen, die das Interesse der Forscher auf diesen speziellen Effekt lenkten, können durchaus die Folge selektiver Berichterstattung oder selektiver Aufmerksamkeit gewesen sein. Wenn dem so ist, können wir eine einfache Vorhersage machen: »Von nun an werden die Zahlen auf ungefähr 50 : 50 zurückgehen.« Wenn sich diese Vorhersage als falsch erweist und die Ergebnisse statt dessen die Abweichung bestätigen, durch die die Häufung auffiel, dann können die neuen Daten als signifikant betrachtet und ihr Signifikanzniveau nach den üblichen Methoden ermittelt werden. Klüger ist es aber, auf eine Aufteilung 50 : 50 zu wetten.
Der angebliche Rückgang der menschlichen Spermatozoen-Zahl ist vielleicht ein Beispiel für selektive Berichterstattung. Die Geschichte, die in der Presse ausgiebig wiederholt wurde, besagt, daß im Lauf der letzten fünfzig Jahre die Anzahl von Spermatozoen bei ›normalen‹ Männern um die Hälfte zurückgegangen ist. Wir meinen keine selektive Berichterstattung seitens der Leute, die diese Zahlen zuerst veröffentlicht haben – sie ha-ben sich bemüht, alle denkbaren Fehlerquellen auszuschließen. Die ›selektive Berichterstattung‹ erfolgte durch Forscher, die gegenteilige Zahlen hatten, diese aber nicht publizierten, weil sie glaubten, sie müßten falsch sein; durch die Herausgeber von Fachzeitschriften, welche die Arbeiten, in denen der Rückgang bestätigt wurde, öfter annahmen als solche, die ihn bestritten; und durch die Presse; die einen ganzen Haufen sexueller Defekte in verschiedenen Teilen des Tierreichs nahtlos zu einer Story zusammenpappte, ohne zu beachten, daß es für jeden einzelnen Fall eine völlig plausible Erklärung gab, die nichts mit den sinkenden Spermatozoen-Zahlen und oft überhaupt nichts mit Sex zu tun hat.
Sexuelle Abnormitäten bei Fischen in der Nähe von Abwasserausflüssen sind beispielsweise auf ein Übermaß an Nitriten zurückzuführen, die nach Kenntnis von Fischzüchtern alle möglichen Abnormitäten hervorrufen – und nicht auf östrogenartige Bestandteile im Wasser, die zu der Geschichte von der ›Spermatozoen-Zahl‹ passen würden. Die aktuellen Daten aus Kliniken, wo Defekte der Fruchtbarkeit behandelt werden, lassen keinen Rückgang der Spermatozoen-Zahl erkennen.
Menschen fügen ihrer Welt Narrativium hinzu. Sie bestehen darauf, das Universum so zu interpretieren, als ob es eine Geschichte erzählen würde. Dadurch konzentrieren sie ihre Aufmerksamkeit auf Tatsachen, die zu der Geschichte passen, und beachten die anderen nicht. Doch wir dürfen nicht anhand der zufälligen Übereinstimmung, der statistischen Häufung, den Stichprobenraum festlegen; wenn wir das tun, ignorieren wir den umliegenden Raum von Fast-Übereinstimmungen.
Jack und Ian haben diese Theorie auf einer Reise nach Schweden überprüfen können. Im Flugzeug sagte Jack voraus, daß sich im Flughafen von Stockholm ein zufälliges Zusammentreffen ereignen werde – aus Gründen der selektiven Berichterstattung. Wenn sie nur genau genug hinschauten, werde es dazu kommen. Sie erreichten die Bushaltestelle vor dem Flughafengebäude, und kein seltsamer Zufall hatte sich ereignet. Aber sie konnten den richtigen Bus nicht finden, also ging Jack zum Informationsschalter zurück. Während er wartete, trat jemand neben ihn – Stefano, ein Mathematiker, der sonst im Arbeitszimmer neben dem von Jack saß. Vorhersage bestätigt. Was aber wirklich noch fehlte, war der Nachweis eines Fast-Zufalls –
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