Die Gelehrten der Scheibenwelt
er.
»Ja?«
»Kann ich mich von der ganzen Sache zurückziehen?«
»Nein.«
»Muß ich alles verstanden haben, was du mir gerade gesagt hast?«
»Nein.«
»Wohin du mich auch schickst – muß ich damit rechnen, Ungeheuern zu begegnen?«
»Nein.«
»Bist du sicher?«
»Ja.«
»Bist du da ganz sicher?«
»Ja.«
»Mir ist gerade noch eine Frage eingefallen«, sagte Rincewind.
»Schieß los.«
»Bist du wirklich vollkommen sicher?«
»Ja!« raunzte Ponder. »Und selbst wenn es am Zielort irgendwelche Ungeheuer gäbe – es würde überhaupt keine Rolle spielen.«
»Für mich schon.«
»Nein! Ich habe es dir erklärt! Selbst wenn irgendein mit langen Reißzähnen ausgestattetes Monstrum auf dich zugelaufen käme – es könnte dir überhaupt nichts antun.«
»Erlaubst du mir eine weitere Frage?«
»Ja?«
»Verfügt der Thaumanzug über eine Toilette?«
»Nein.«
»Weil nämlich bestimmt ein mit langen Reißzähnen ausgestattetes Monstrum auf mich zugelaufen kommt.«
»In dem Fall brauchst du uns nur Bescheid zu geben und kannst dann den Abort am Ende des Flurs benutzen«, sagte Ponder. »Hör jetzt bitte auf, dir Sorgen zu machen. Diese Herren helfen dir dabei, in das Ding … äh … hineinzuklettern, und anschließend beginnen wir …«
Erzkanzler Ridcully kam näher, als hilfreiche Hände den widerspenstigen Professor in eine schimmernde Fast-Substanz hüllten.
»Mir ging da gerade ein Gedanke durch den Kopf, Ponder«, sagte er.
»Ja, Herr?«
»Wäre es möglich, daß im Projekt tatsächlich Leben existiert?«
Ponder sah ihn verblüfft an.
»Natürlich nicht, Herr! So etwas ist völlig ausgeschlossen. Einfache Materie gehorcht einigen seltsamen Regeln. Das dürfte genügen, um dafür zu sorgen, daß Dinge … sich drehen und explodieren und so. Aber auf einer solchen Grundlage kann sich bestimmt nichts so Kompliziertes entwickeln wie …«
»Der Quästor, zum Beispiel?«
»Nicht einmal wie der Quästor, Herr.«
»Er ist nicht sehr kompliziert. Wenn wir einen rechnenden Papagei fänden, könnten wir den alten Knaben endlich in den Ruhestand schicken.«
»Nein, Herr. In diesem Universum gibt es nichts, das sich mit dem Quästor vergleichen ließe. Es enthält kein Leben, nicht einmal eine Ameise oder einen Grashalm. Genausogut könnte man versuchen, ein Klavier zu stimmen, indem man mit Steinen danach wirft. Das Leben kommt nicht einfach so aus dem Nichts, Herr. Es ist viel mehr als Felsbrocken, die im Kreis fliegen. Nein, Ungeheuern werden wir ganz gewiß nicht begegnen.«
Zwei Minuten später öffnete Rincewind die Augen und stellte fest, daß sie sich woanders befanden. Vor ihm erstreckte sich körniges Rot, und ihm wurde recht warm.
»Ich glaube, es funktioniert nicht«, sagte er.
»Du solltest eine Landschaft sehen«, erklang Ponders Stimme an seinem Ohr.
»Es ist alles rot.«
In der Ferne flüsterte es, und dann ertönte eine andere Stimme: »Entschuldige. Die Genauigkeit der Zielanpeilung ließ zu wünschen übrig. Wir holen dich sofort aus dem Eruptionskanal des Vulkans.«
Im Forschungstrakt für hochenergetische Magie ließ Ponder das Hörrohr sinken. Die anderen Zauberer hörten ein leises Surren, als sei ein sehr zorniges Insekt darin gefangen.
»Eine sonderbare Ausdrucksweise«, kommentierte Ponder ein wenig überrascht. »Nun, ich schlage vor, wir heben ihn etwas an und geben ihm dann die Möglichkeit, sich zu bewegen …«
Er hob das Hörrohr wieder und lauschte.
»Er meint, es gießt«, sagte er.
ACHTZEHN
Luft und Wasser
Es ist sicherlich eine Überraschung, daß die unerbittlichen Regeln der Physik etwas derart Flexibles wie Leben zulassen, und man kann den Zauberern keinen Vorwurf machen, daß sie nicht mit der Möglichkeit rechneten, auf den wüsten Gesteinsbrocken der Rundwelt könnten Lebewesen entstehen. Doch Hier Unten ist nicht so sehr verschieden von Dort Oben, wie es den Anschein hat. Ehe wir jedoch vom Leben sprechen können, müssen wir uns mit ein paar weiteren Eigenschaften unseres Heimatplaneten befassen: mit Atmosphäre und Ozeanen. Ohne sie hätte kein Leben entstehen können, wie wir es kennen; ohne Leben, wie wir es kennen, wären unsere Ozeane und die Atmosphäre merklich anders.
Die Geschichte der Erdatmosphäre ist untrennbar mit der der Ozeane verknüpft. Im Grunde können die Ozeane einfach als ziemlich feuchte, dichte Schicht der Atmosphäre betrachtet werden. Ozeane und Atmosphäre haben sich gemeinsam entwickelt und einander
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