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Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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eine ›globale Erwärmung‹ im Gange ist, braucht sie sich überhaupt nicht in einem Temperaturanstieg zu äußern (so daß der Name etwas albern ist). Worin sie sich äußert, ist eine Klimastörung. Obwohl die sechs wärmsten Sommer in Großbritannien alle in die neunziger Jahre gefallen sind, können wir also nicht einfach schlußfolgern, daß es ›wärmer wird‹ und daher die globale Erwärmung eine Tatsache ist. Das globale Klima schwankt ohnehin in einem breiten Bereich – was täte das Klima, wenn es uns nicht gäbe?
    Ein als ›Biosphäre II‹ bekanntes Projekt versuchte die wissenschaftlichen Grundlagen der Sauerstoff-Kohlenstoff-Umsätze im globalen Ökosystem herauszufinden, indem es eine ›geschlossene Ökologie‹ schuf, ein System, in das nichts hineinkam außer Sonnenlicht und aus dem überhaupt nichts herauskam. In der Form ähnelte es einem riesigen futuristischen Gartenzentrum mit darin lebenden Pflanzen, Insekten, Vögeln, Säugetieren und Menschen. Dem Ganzen lag der Gedanke zugrunde, die Ökologie in Gang zu halten, indem man einen Entwurf benutzte, in dem alles wiederverwertet wurde.
    Das Projekt geriet bald in Schwierigkeiten: Um es in Gang zu halten, mußte Sauerstoff zugegeben werden. Die Forscher nahmen daher an, es ginge irgendwie Sauerstoff verloren. Das erwies sich in gewissem Sinne als wahr, aber nicht im wörtlichen Sinn. Obwohl der Gedanke zugrunde gelegen hatte, die chemischen und anderen Veränderungen in einem geschlossenen System zu beobachten, hatten die Forscher nicht ermittelt, wieviel Kohlenstoff sie zu Beginn dem System mitgegeben hatten. Für dieses Versäumnis gibt es gute Gründe – vor allem ist es extrem schwierig, da man den Kohlenstoffgehalt nach dem Feuchtgewicht lebender Pflanzen schätzen muß. Da sie nicht wußten, wieviel Kohlenstoff zu Beginn vorhanden war, konnten sie nicht verfolgen, was mit dem Kohlenmonoxid und Kohlendioxid geschah. Allerdings hätte sich ›fehlender‹ Sauerstoff als eine Zunahme von Kohlendioxid äußern müssen, den Kohlendioxidanteil aber konnten sie beobachten – und feststellen, daß er nicht anstieg.
    Schließlich erwies sich, daß der ›fehlende‹ Sauerstoff nicht aus dem Gebäude entwich: Er wurde tatsächlich in Kohlendioxid umgesetzt. Warum also stellten die Forscher keinen Anstieg des Kohlendioxidanteils fest? Weil, was niemand wußte, Kohlendioxid vom Beton des Gebäudes absorbiert wurde, während dieser nachhärtete. Jeder Architekt weiß, daß dieser Vorgang etwa zehn Jahre andauert, nachdem der Beton gegossen wurde, doch für die Architektur hat dieses Wissen keine Bedeutung. Die Experimental-Ökologen wußten überhaupt nichts davon, da esoterische Eigenschaften von Gußbeton gewöhnlich nicht in Ökologiekursen vorkommen, doch für sie war dieses Wissen entscheidend.
    Zu den stillschweigenden Voraussetzungen, die bei Biosphäre II gemacht wurden, gehörte der verständliche, aber irrationale Glaube, daß Kohlendioxid, weil es bei seiner Entstehung Sauerstoff verbraucht, in Opposition zum Sauerstoff steht. Das heißt, Sauerstoff zählt in der Sauerstoffbilanz als Haben, Kohlendioxid aber als Soll. Wenn also Kohlendioxid aus den Büchern verschwindet, wird es als gelöschte Schuld behandelt, also als Gewinn. In Wahrheit aber enthält Kohlendioxid eine positive Menge Sauerstoff; wenn man also Kohlendioxid einbüßt, verliert man auch Sauerstoff. Wenn man aber nur nach einer Zunahme des Kohlendioxids sucht, bemerkt man nicht, wenn etwas davon verlorengeht.
    Die Fehler solcher Denkweisen haben weitaus größere Bedeutung als das Schicksal von Biosphäre II. Ein wichtiges Beispiel innerhalb des allgemeinen Rahmens der Kohlenstoff-Sauerstoff-Bilanz ist die Rolle der Regenwälder. In Brasilien werden die Regenwälder des Amazonasgebiets in alarmierendem Tempo durch Holzschlag und Brandrodung vernichtet. Es gibt viele gute Gründe zu verhindern, daß das so weitergeht – den Verlust von Lebensraum für Organismen, die Erzeugung von Kohlendioxid durch brennende Bäume, die Zerstörung der Kultur der eingeborenen Indianerstämme und so weiter. Kein guter Grund ist jedoch der Satz, der in diesem Zusammenhang fast immer automatisch hervorpurzelt und darauf hinausläuft, die Regenwälder seien ›die grünen Lungen des Planeten‹. Das Bild besagt, daß die ›zivilisierten‹ Weltgegenden – das heißt, die industrialisierten – Nettoerzeuger von Kohlendioxid sind. Der unberührte Regenwald dagegen erzeugt einen sanften,

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