Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gelehrten der Scheibenwelt

Die Gelehrten der Scheibenwelt

Titel: Die Gelehrten der Scheibenwelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
Vom Netzwerk:
komplizierte Chemikalien herzustellen. Die Welt ist voll davon. Das Problem ist, diese Komplexität organisiert zu halten.
    Was gilt als Leben? Jeder Biologe mußte eine Liste von Eigenschaften lernen: Fortpflanzungsvermögen, Reizbarkeit, Energienutzung und dergleichen. Wir sind inzwischen weiter. ›Autopoeisis‹ – die Fähigkeit, Chemikalien und Strukturen zur eigenen Reproduktion herzustellen – ist keine schlechte Definition, abgesehen davon, daß sich das moderne Leben von jenen frühen Notwendigkeiten fortentwickelt hat. Heutige Biologen ziehen es vor, dem Thema auszuweichen und Leben als Eigenschaft des DNS-Moleküls zu definieren, doch das läßt die tiefere Frage nach dem Leben als einem allgemeinen Typ von Prozessen offen. Möglicherweise definieren wir jetzt das Leben auf dieselbe Weise, wie ›Science Fiction‹ definiert wird – es ist, worauf wir zeigen, wenn wir den Begriff verwenden.* [ * Jeder weiß, was Science Fiction ist – bis man Fragen von der Art zu stellen beginnt: »Ist ein Buch, das fünf Jahre in der Zukunft spielt, automatisch Science Fiction? Ist es SF, nur weil es in einer anderen Welt spielt, oder ist es einfach Fantasy mit Nuten und Bolzen außen? Ist es SF, wenn der Autor es dafür hält? Bedeutet die Gegenwart von Doug McClure, daß ein Film SF ist, oder nur, daß es eine hohe Leutein-Gummimonsteranzügen-Quote geben wird?« Eins der besten SF-Bücher, die jemals geschrieben wurden, war The Evolution Man des verstorbenen Roy Lewis; es kommt keine kompliziertere Technik als ein Bogen darin vor, es spielt in der fernen Vergangenheit, die Helden sind kaum mehr als Affenmenschen   … aber es ist nichtsdestoweniger Science Fiction. ]
    Der Gedanke, daß Leben sich irgendwie selbst in Gang gesetzt haben könnte, erscheint vielen Menschen noch strittig. Es erweist sich jedoch, daß es leicht ist, mögliche Wege zum Leben zu finden. Es muß mindestens dreißig geben. Es ist schwer zu entscheiden, welcher davon der tatsächlich eingeschlagene Weg war – wenn es überhaupt einer davon war –, weil spätere Lebensformen fast alle Indizien vernichtet haben. Das hat vielleicht nicht viel zu bedeuten: Wenn das Leben nicht den Weg eingeschlagen hätte, den es nahm, hätte es leicht einen von den anderen nehmen können oder einen von den hundert, an die wir noch nicht gedacht haben.
    Ein möglicher Weg von der anorganischen Welt zum Leben, den Graham Cairns-Smith vorgeschlagen hat, ist Ton. Ton kann komplizierte mikroskopische Strukturen bilden und ›kopiert‹ eine vorhandene Struktur, indem er eine weitere Schicht hinzufügt, die dann abfällt und der Ausgangspunkt einer neuen Struktur wird. Kohlenstoffverbindungen können an Tonoberflächen haften, wo sie als Katalysatoren für die Bildung komplexer Moleküle wirken können, wie wir sie in Lebewesen finden – von Proteinen, sogar der DNS selbst. Die heutigen Organismen haben also vielleicht einen Teil der Evolutionsfahrt per Anhalter auf Ton zurückgelegt.
    Eine andere Möglichkeit hat Gunther Wächterhäuser vorgeschlagen: daß Pyrit, eine Verbindung von Eisen und Schwefel, eine für Bakterien geeignete Energiequelle geboten hat. Noch heute finden wir Bakterien kilometertief im Erdinneren und in der Nähe von Vulkanschloten am Grunde des Ozeans, die ihre Energie aus Eisen-Schwefel-Reaktionen gewinnen. Sie sind die Quelle des ›Stroms von giftigen Mineralien‹, die Rincewind feststellt. Es ist durchaus vorstellbar, daß das Leben in vergleichbarer Umwelt begonnen hat.
    Ein potentielles Problem mit Vulkanschloten besteht jedoch darin, daß sie immer mal wieder verstopft werden und woanders ein neuer Vulkan ausbricht. Wie konnten die Organismen sicher durch das dazwischenliegende kalte Wasser gelangen? 1988 erkannte Kevin Speer, daß die Erdumdrehung die aufsteigenden Fahnen heißen Wassers in Rotation versetzt und eine Art heißen Unterwassertornado bildet, der sich durch die Tiefen des Ozeans bewegt. Organismen werden dabei mitgeführt. Manche schaffen es zu einem anderen Schlot. Viele schaffen es nicht, doch das spielt keine Rolle – es müssen nur genug überleben.
    Es ist interessant festzustellen, daß in der Kreidezeit, als die Meere viel wärmer als jetzt waren, diese Heißwasserfahnen sogar bis an die Wasseroberfläche emporgestiegen sein können, wo sie vielleicht ›Hypercans‹ verursachten – wie Hurricans, aber mit einer Windgeschwindigkeit nahe der des Schalls. Sie hätten gewaltigen klimatischen Aufruhr auf einem

Weitere Kostenlose Bücher